Faculty of Law News & Events Events For university students Hannoversche Gespräche zum Humanitären Völkerrecht
Aktuelle Herausforderungen des humanitären Völkerrechts: Rückblick auf die 3. Summer School des DRK-Region Hannover e.V. und des Instituts für Internationales Recht

Aktuelle Herausforderungen des humanitären Völkerrechts: Rückblick auf die 3. Summer School des DRK-Region Hannover e.V. und des Instituts für Internationales Recht

© Justus Dallügge | DRK-Region Hannover e.V.
© Justus Dallügge | DRK-Region Hannover e.V.

Gegenwärtig steht das humanitäre Völkerrecht vor scheinbar unlösbaren Herausforderungen. Nicht nur der Krieg in der Ukraine oder der Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Hamas haben einmal mehr die Fragilität der internationalen Rechtsordnung gezeigt und stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Menschenrechte dar. Die Zahl der gegenwärtigen Konflikte und ihre Folgen haben einen erheblichen Einfluss auf das Handeln der Internationalen Gemeinschaft. Die gegenwärtigen Entwicklungen sind ein weiterer wichtiger Test für die Durchsetzungsfähigkeit von Rechtsnormen in Zeiten andauernder internationaler Konflikte.

Die nunmehr 3. Summer School des Deutschen Roten Kreuzes-Region Hannover e.V. (DRK-Region Hannover e.V.) und des Instituts für Internationales Recht (vertreten durch den Lehrstuhl von Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann) der Juristischen Fakultät an der Leibniz Universität Hannover (LUH) nahm dies zum Anlass, einige dieser Herausforderungen an das moderne Völkerrecht ausführlicher zu Diskustieren Die Veranstaltung richtete sich an Studierende und bot eine umfassende Einführung in zentrale Themen und aktuelle Herausforderungen des Völkerrechts. Neben fundierten Vorträgen standen wissenschaftliche Diskussionen und praxisorientierte Übungen im Mittelpunkt der Summer School.

Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann und Prof. Dr. Stefan Birkner (Hochschule Osnabrück) wurde in der Woche vom 02. bis zum 07. September 2024 eine tägliche Veranstaltung zum Völkerrecht an der Juristischen Fakultät der LUH durchgeführt.

Hochkarätige Referenten kamen aus dem In- und Ausland nach Hannover, insbesondere Prof. Patrick R. Hugg (Loyola University College of Law New Orleans) und Prof. Dr. Gerhard Fiolka (University of Fribourg, Switzerland), Dr. Alexander Wentker (Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law) sowie Prof. Dr. Manuel Brunner (Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen). Hierneben konnten auch Lisa Cohen (IFHV Bochum), Lea Köhne (Universität Potsdam) und Vincent Widdig (LUH / DRK Region Hannover) gewonnen werden.

Die Veranstaltungsreihe begann mit einer systematischen Einführung in die Grundprinzipien des Völkerrechts. Diskutiert wurden die Rolle der Staaten, internationaler Organisationen und nichtstaatlicher Akteure sowie die Bedeutung von Normen wie der UN-Charta. Wissenschaftliche Schwerpunkte waren die Spannungsfelder zwischen staatlicher Souveränität und internationaler Rechtsdurchsetzung sowie die Relevanz von Soft Law. Es wurde kritisch hinterfragt, inwiefern das Völkerrecht ausreichend flexibel ist, um auf globale Herausforderungen und Krisen zu reagieren.

Aufgegriffen wurden diese Fragen dann auch in der Einführung in das Humanitäre Völkerrecht. Im Fokus standen die hier Regeln zur Regulierung von bewaffneten Konflikten. Die Teilnehmenden konnten hier genauer die Genfer Konventionen sowie ihre Zusatzprotokolle analysieren sowie ihre praktische Anwendbarkeit in modernen Konflikten beleuchten. In der wissenschaftlichen Diskussion wurde insbesondere die Problematik asymmetrischer Kriege erörtert, bei denen nichtstaatliche Akteure eine zentrale Rolle spielen. Kontrovers debattiert wurde auch die Frage, wie weit die Schutzpflichten reichen und welche rechtlichen Grauzonen in der Praxis auftreten.

Ebenfalls umfassend gewidmet wurde sich der komplexen Beziehung zwischen Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht. Es wurde untersucht, wie diese beiden Rechtsbereiche ineinandergreifen, sich ergänzen oder gar im Konflikt zueinanderstehen können. Diskutiert wurde auch die kontroverse (meist von Staaten vorgebrachte) These, ob und wie Menschenrechtsnormen, während eines Konfliktes eingeschränkt werden können. Hierfür konnten sich die Teilnehmenden intensiv mit der Rechtsprechung internationaler Gerichte auseinandersetzen, um sich die praktischen Auswirkungen dieser Problematik zu erschließen.

Neben den Menschenrechten beschäftigten sich die Teilnehmenden auch mit der Nutzung von Medien und Missinformationen in bewaffneten Konflikten. In diesem Themenblock wurde die komplexe Schnittstelle zwischen Kriegsrecht und Informationsmacht analysiert. Diskutiert wurden die tiefgreifenden Auswirkungen von Falschinformationen auf militärische Strategien, die öffentliche Wahrnehmung und die Prinzipien des humanitären Völkerrechts, die darauf abzielen, Zivilpersonen zu schützen und die Menschlichkeit im Krieg zu bewahren. Anhand von Fallstudien wurden die rechtlichen Herausforderungen von Desinformationskampagnen erörtert, einschließlich der Verbreitung von viralen Videos und KI-gesteuerter Propaganda. Ein zentraler Diskussionspunkt war die Verantwortung der beteiligten Akteure und die Frage, ob das Völkerrecht Mechanismen entwickeln kann, um die Verbreitung von Missinformationen effektiver einzudämmen.

Auch den Fragen des Status der Konfliktparteien sowie der Neutralität widmeten sich die Teilnehmenden. Beschäftigt wurde sich mit der zentralen Frage, welche Implikationen der Status von Konfliktparteien für die Anwendung des Völkerrechts hat und welche Rolle Neutralität dabei spielt. Diskutiert wurden die rechtlichen Kriterien zur Feststellung des Parteienstatus in bewaffneten Konflikten und die Konsequenzen, die sich daraus für die Anwendung des humanitären Völkerrechts ergeben. Ein weiterer Schwerpunkt war die historische Entwicklung des Neutralitätsbegriffs und dessen zeitgenössische Relevanz im Kontext des jus contra bellum. Die Teilnehmenden untersuchten, wie Neutralität mit dem Verbot der Anwendung von Gewalt zwischen Staaten interagiert und welche Herausforderungen sich daraus für moderne Konflikte ergeben. Die Diskussion beleuchtete auch die praktischen und rechtlichen Probleme, die entstehen, wenn Staaten oder andere Akteure versuchen, eine neutrale Position in einem bewaffneten Konflikt zu wahren.

Über diese klassischen Fragen hinaus wurden die Auswirkungen neuer Technologien wie autonomer Waffensysteme und KI sowie die rechtlichen Herausforderungen im Weltraum und im Cyberspace behandelt. Die Diskussionen konzentrierten sich auf die Frage, wie bestehende völkerrechtliche Regelungen auf diese neuen Entwicklungen angewendet oder angepasst werden können. Ein kontroverser Punkt war die Verantwortung von Staaten und privaten Akteuren für Handlungen im Weltraum sowie im Cyberspace und die Frage der Notwendigkeit neuer multilateraler Vereinbarungen.

Bei der Summer School fehlen durfte natürlich nicht das Völkerstrafrecht. Der Schwerpunkt lag hier auf der strafrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord sowie den weiteren Kernverbrechen unter dem Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Behandelt wurden aber auch die Grundlagen des völkerrechtlich relevanten Strafrechts. Analysiert wurden die Funktionsweise und Herausforderungen des IStGH sowie die Rolle nationaler Gerichte bei der Durchsetzung des Völkerstrafrechts. Kritisch hinterfragt wurde, ob das Völkerstrafrecht tatsächlich zur Prävention von schweren Verbrechen beiträgt.

Ein besonderes Highlight der Veranstaltungsreihe war die praktische Auseinandersetzung mit Fallstudien zum Völkerstrafrecht. Die Studierenden arbeiteten in Gruppen an konkreten Fällen, entwickelten rechtliche Argumentationen und präsentierten ihre Ergebnisse vor den Teilnehmenden. Diese Übungen förderten nicht nur das kritische Denken, sondern auch die Anwendung des erlernten Wissens auf praxisrelevante Fragestellungen. Die anschließende Diskussion ermöglichte eine differenzierte Reflexion der verschiedenen Lösungsansätze.

Abschlusssymposium

Ihren Abschluss fand die Summer School mit einem Extert:innen-Symposium am 07. September in der Villa Seligmann unter dem Motto „New technologies and Current Challenges to International Humanitarian Law“.

Das  DRK-Region Hannover e.V. sowie das Institut für Internationales Recht der Juristischen Fakultät Hannover hatten interessierte Studierende sowie die Öffentlichkeit eingeladen, an dieser spannenden Diskussion teilzunehmen. Die Veranstaltung teilte sich in diesem Jahr in einen rein wissenschaftlichen und einen an die breite Öffentlichkeit gerichteten Teil.

Anwesend waren nicht nur renommierte Extert:innen auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts sondern auch von Seiten des Präsidiums des Deutschen Roten Kreuzes-Region Hannover e. V. auch die Präsidentin, Frau Martina Rust, sowie von Seiten des einschlägigen Vorstands der Vorstandsvorsitzende, Herr Anton Verschaeren. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Stefan Birkner.

Das Symposium begann mit einigen einleitenden Worten von Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann und Prof. Dr. Stefan Birkner sowie einem Grußwort von Martina Rust.

Das erste Panel der Veranstaltung stand unter dem Titel „Modernisation and Automation of Warfare“. Nach einer einführenden Darstellung durch Stefan Birkner zu den grundlegenden Fragen der Modernisierung und Automatisierung der Konfliktführung begann die Diskussion. Stefan Birkner stellte in seinem Vortrag das Zusammenspiel von Recht und technologischer Entwicklung in den Mittelpunkt und beleuchtete die Herausforderungen, die eine mögliche Regulierung dieser Thematik für das Völkerrecht mit sich bringt. Besonders betonte er die Rolle des Rechts des bewaffneten Konfliktes in diesem Bereich, das als Ankerpunkt für die Bewertung neuer Technologien dient. Dabei hob er hervor, dass die fortschreitende Automatisierung der Kriegsführung nicht nur Chancen, sondern auch Risiken birgt und eine differenzierte rechtliche Betrachtung erfordere.

Prof. Patrick Hugg (Loyola University College of Law New Orleans) verdeutlichte in seinem anschließenden Beitrag die praktischen Auswirkungen dieser Entwicklungen. In einer anschaulichen Analyse zeigte er auf, wie sich die Automatisierung auf taktische und strategische Entscheidungen auswirken kann und welche Herausforderungen dabei für die Umsetzung des humanitären Völkerrechts entstehen. Insbesondere die Frage nach der Verantwortung bei Entscheidungen von autonomen Waffensystemen wurde intensiv beleuchtet.

Eine weitere Perspektive brachte Prof. Dr. Gerhard Fiolka (University of Fribourg, Switzerland) ein, der in seinem Impulsreferat die Auswirkungen der Automatisierung auf das Völkerstrafrecht untersuchte. Er thematisierte insbesondere die Herausforderungen, die sich durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz im militärischen Kontext für die Zurechenbarkeit von Handlungen ergeben. Fiolka hinterfragte, ob die bestehenden völkerstrafrechtlichen Prinzipien an ihre Grenzen stoßen könnten, wenn autonome Systeme eingesetzt werden.

In der abschließenden Podiumsdiskussion, an der neben Prof. Patrick Hugg und Prof. Dr. Gerhard Fiolka auch Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann teilnahm, wurden die vielschichtigen rechtlichen, ethischen und technologischen Herausforderungen vertieft diskutiert. Die Teilnehmer betonten die Notwendigkeit einer internationalen Zusammenarbeit bei der Regulierung und der Entwicklung von Standards für den Einsatz automatisierter und autonomer Waffensysteme. Besondere Aufmerksamkeit galt der Frage, wie bestehende völkerrechtliche Normen auf diese neuen Entwicklungen angewendet werden können, ohne die Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts zu untergraben.

Die Diskussion zeigte eindrucksvoll, dass die Modernisierung und Automatisierung der Kriegsführung eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts darstellen. Sie erfordert eine enge Verzahnung von Recht, Technologie und Ethik, um sicherzustellen, dass technologische Fortschritte mit den Grundwerten des Völkerrechts in Einklang gebracht werden können.

Das zweite Panel der Veranstaltung stand unter dem Titel „Perspektivenwechsel: Aktuelle Herausforderungen des Deutschen Roten Kreuzes und des humanitären Völkerrechts“. Unter der Moderation von Stefan Birkner, wurden die Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Dr. Weingärtner (Deutsches Rotes Kreuz) eröffnete das Panel mit einem Vortrag zum Thema „Humanitäre Hilfe und humanitäres Recht – Der Auftrag des Roten Kreuzes“. Dabei berichtete er von der praktischen Arbeit des DRK in der humanitären Hilfe und den besonderen Herausforderungen, denen sich das Deutsche Rote Kreuz gegenübersieht. Er hob hervor, dass die Einhaltung und Durchsetzung des humanitären Völkerrechts in Krisen- und Konfliktgebieten oft mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, insbesondere in Bezug auf Zugang, Sicherheit und Ressourcen.

Den Abschluss des Panels bildete der Beitrag von Kapitänleutnant Florian Rohmann, Jugendoffizier aus Braunschweig und Referent für Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Bundeswehr. Er berichtete aus der Perspektive der Bundeswehr über die Herausforderungen bei der Anwendung und Einhaltung des humanitären Völkerrechts in militärischen Einsätzen. Rohmann betonte, wie komplex die Umsetzung dieser Prinzipien in Einsätzen unter realen Bedingungen sein kann. Er ging dabei auch auf die Spannungsfelder zwischen militärischer Notwendigkeit und völkerrechtlichen Vorgaben ein.

Die Diskussion innerhalb des Panels zeigte die Vielfalt der Herausforderungen auf, denen sich sowohl humanitäre Organisationen wie das DRK als auch staatliche Akteure wie die Bundeswehr bei der Umsetzung des humanitären Völkerrechts stellen müssen. Dabei wurde deutlich, dass der Schutz der Zivilbevölkerung und die Wahrung der Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts nur durch eine enge Zusammenarbeit und einen kontinuierlichen Dialog zwischen den beteiligten Akteuren gewährleistet werden können.

Fazit

Die Veranstaltungsreihe bot den Studierenden nicht nur eine vertiefte fachliche Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen des Völkerrechts, sondern auch die Gelegenheit, sich aktiv in wissenschaftliche Debatten einzubringen. Dies nicht nur während der Summer School selbst, sondern auch am 07. September 2024 bei dem Abschlusssymposium der Summer School in der Villa Seligmann. Die Summer School trug wesentlich dazu bei, das Bewusstsein für die Bedeutung des Völkerrechts in einer zunehmend vernetzten und komplexen Welt zu schärfen. Die Kombination aus theoretischen Inhalten, kontroversen Diskussionen und praktischen Übungen machte die Veranstaltung zu einem wertvollen Bestandteil der juristischen Ausbildung. Die Erkenntnisse der 3. Summer School zum Humanitären Völkerrecht an der LUH konnten die Teilnehmenden mit nach Hause nehmen und gern auch in dem folgenden Jahr vertiefen, wenn wir uns wieder freuen, die nunmehr 4. Summer School zum humanitären Völkerrecht ausrichten zu können.

Wir danken dem ganzen Team der Villa Seligmann insbesondere Herrn Eliah Sakakushev-von Bismarck ganz herzlich für die erneute Möglichkeit der Durchführung der Abschlussveranstaltung der Summer School in den außerordentlich besonderen Räumlichkeiten der Villa Seligmann.

Verfasst von Vincent Widdig.

Bildergalerie

Eine kleine Galerie mit Eindrücken vom Abschlusssymposium finden Sie hier.

Veranstaltungen für Studierende

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