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Rückblick auf den 3. Hannoverschen Märchen Moot Court am 7. Januar 2025

Rückblick auf den 3. Hannoverschen Märchen Moot Court am 7. Januar 2025

© Lena Tenge | Juristische Fakultät Hannover
© Lena Tenge | Juristische Fakultät Hannover

Das berühmte Märchen von Rumpelstilzchen, bekannt aus Kindertagen, erlebte 07. Januar 2025 eine ungewöhnliche Neuinterpretation im Rahmen des Hannoverschen Märchen Moot Courts. Auf der Anklagebank des Märchengerichts, das seinen Gerichtssaal im 14. Stock des Conti-Hochhauses eingerichtet hatte, saß ein kleines „Männchen“ unbekannten Namens. Die Sache war ernst, da dem Märchenlandbewohner von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wurde, den Sohn der Königin, Prinz Michel, entführt zu haben. Die Öffentlichkeit war reichlich erschienen und sollte einiges geboten bekommen.

Der Märchen Moot Court

Worum geht es beim Märchen Moot Court? Der Hannoversche Märchen Moot Court ist eine simulierte Gerichtsverhandlung auf Grundlage eines an ein Märchen angelehnten Sachverhalts, bei der die Studierenden die Prozessvertretung von Anklage und Verteidigung übernehmen. Aufgabe der studentischen Teams ist es, in die Rolle von Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu schlüpfen und in einem Strafverfahren vor dem Märchengericht deren Interessen wahrzunehmen.

Das Verfahren besteht aus zwei Phasen. In einer ersten Phase, dem Ermittlungsverfahren, sind beide Seiten zunächst aufgefordert, den Sachverhalt zu ermitteln und sodann auf Grundlage der in diesem Schritt gewonnenen Erkenntnisse Schriftsätze aus Anklage- oder Verteidigungssicht (Anklage- oder Verteidigungsschrift) zu erstellen. Den Schlusspunkt des Verfahrens bildet dann die mündliche Hauptverhandlung vor dem Märchengericht. Hier sind die Teilnehmenden aufgerufen, ihren Fall vor dem Märchengericht und einer aus dem Publikum bestehenden Jury zu vertreten. Die Entscheidung über den „Gewinner“ liegt, anders als sonst üblich bei anderen Moot Courts, in den Händen des Publikums, das als „Jury“ zur Entscheidung über Schuld und Nichtschuld der Angeklagten berufen ist. Für die Teilnehmenden des Märchen Moot Courts besteht die Möglichkeit, einen Schein für Schlüsselqualifikationen zu erwerben, da der Märchen Moot Court als Lehrveranstaltung im Sinne von § 5 a Abs. 3 Satz 1 DRiG anerkannt ist.

Die organisatorische Verantwortung liegt bei Prof. Dr. Sascha Ziemann und dem Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht mit interdisziplinären Bezügen. Die Durchführung erfolgt in Kooperation mit dem studentischen Verein ELSA-Hannover e.V.

Der Prozessauftakt

Zurück in den Gerichtssaal des Märchengerichts. Wie üblich begann die Verhandlung mit dem Aufruf der Sache durch den Vorsitzenden Richter Prof. Ziemann und den Eröffnungsstatements von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Für erste Probleme sorgte die Vernehmung des Angeklagten zur Person, als dieser bzw. dieses beharrlich die Nennung des Namens verweigerte und zudem zum großen Verdruss des Vorsitzenden wiederholt zum Singen und Tanzen ansetzte. Ein ungebührliches Verhalten, welches das Männchen erst nach strenger Ermahnung und Androhung eines hohen Ordnungsgeldes unterließ. Nach Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft erhielt die Verteidigung die Gelegenheit, in einem Eröffnungsstatement ihre Sicht der Dinge deutlich zu machen. Die Verteidigung stellte dar, warum eine Verurteilung ihres Mandanten unangebracht sei: Prinz Michel sei freiwillig mit dem Männchen gegangen, da er nicht in die Schlossmauern zurückkehren wollte. Beim Männchen habe er Nahrung, Spielkameraden und Geborgenheit gefunden. Außerdem habe das Männchen mehrfach versucht, das Märchenjugendamt zu kontaktieren, jedoch ohne Erfolg – niemand habe es ernst genommen.

Ein mysteriöser Vertrag

Kern der Verhandlung vor dem Märchengericht war die Beweisaufnahme, die unter der Leitung des Vorsitzenden Richters und unter Beteiligung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung erfolgte. Ein entscheidendes Element der Beweisaufnahme war ein mysteriöser Vertrag. Königin Magdalena soll dem Männchen einst ihr erstgeborenes Kind versprochen haben, im Gegenzug dafür, dass es Stroh zu Gold spinnt. Der Verbleib des Vertrags war jedoch unklar. Weder die Polizei noch die Königin konnten Auskunft geben. Auf Anweisung des Richters suchte die Jury den Saal ab – und tatsächlich wurde ein kleiner Vertrag unter einem Stuhl gefunden. Dieser bestätigte, dass das Männchen das Erstgeborene als Gegenleistung für seine magischen Dienste erhalten sollte. Staatsanwaltschaft und Verteidigung berieten sich eingehend über die Tragweite dieser Enthüllung.

Zeugenaussagen werfen Fragen auf

In der Beweisaufnahme wurden einige Zeuginnen und Zeugen gehört. So unter anderem niemand geringeres als Ihre Majestät Königin Magdalena höchstselbst. Die stolze Mutter berichtete von ihrem Sohn Michel, dessen Zukunft sie sorgfältig geplant habe. Sie habe ihm die besten Lehrer und einen Fechtmeister organisiert, damit er ein starker König werde. Vom Vertrag mit dem Männchen wisse sie nichts, und sie betonte, den Konsum von konzentrations- und leistungssteigernden Substanzen längst aufgegeben zu haben. Zu letzterem hatte sie gegriffen um die Herausforderung, ihre Regierungsaufgaben mit der Mutterrolle zu vereinen, zu bewältigen. Der Fechtmeister des Schlosses äußerte hingegen deutliche Zweifel an der Fürsorge der Königin. Die Erziehung des Prinzen habe größtenteils in seinen Händen gelegen, während die Königin kaum Zeit für ihren Sohn gefunden habe. Polizeikommissar Oberst Friedrich schilderte die aufwendige Suche nach Prinz Michel, den man schließlich auf einer Wiese beim Spielen mit Hase und Fuchs fand. Michel habe aus freien Stücken entschieden, nicht ins Schloss zurückzukehren. Das Männchen habe sich zwar wenig kooperativ gezeigt, sei aber keineswegs gewalttätig gewesen. Auch Hardy Hase, ein neuer Freund Michels und Nachbar des Männchens, sagte vor Gericht aus. Er berichtete von der „coolen“ Woche, die er mit Michel und einem weiteren Nachbarn, Fridolin Fuchs, verbracht habe. Als Michel schließlich selbst in den Zeugenstand trat, wurde deutlich, dass das Männchen ihn gut behandelt hatte. Der Prinz schilderte seine einsame Kindheit hinter den Schlossmauern, geprägt von Vernachlässigung und fehlender Zuwendung durch seine Mutter. Fechten fand er „doof“, er spiele viel lieber Fußball oder Verstecken mit seinen Freunden. Er berichtete auch von einem Vorfall, bei dem seine Mutter unter Einfluss eines weißen Pulvers – vermutlich die Droge Feenstaub – in Wut ausgebrochen sei. Aus Angst habe er an jenem Tag das Schloss verlassen.

Das Urteil

Nach Abschluss der Beweisaufnahme und einer kurzen Pause hielten Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Schlussplädoyers. Beide Seiten versuchten, das zur Jury berufene Publikum zu überzeugen. Die Staatsanwaltschaft betonte, dass Kindesentziehung selbst bei fragwürdigen Verträgen strafbar sei. Die Verteidigung hingegen verwies auf die fürsorgliche Behandlung des Prinzen durch das Männchen und dessen vergebliche Versuche, Hilfe vom Jugendamt zu erhalten. Nach kurzer Beratung gab die Jury ihr Votum ab: Freispruch für das Männchen.

Verfasst von Emily Pantenbug, Moritz Stamme und Prof. Dr. Sascha Ziemann.

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