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Anwaltsrecht
Zu einem wichtigen Schwerpunkt hat sich in den letzten Jahren das anwaltliche Berufsrecht entwickelt. Dies drückt sich nicht nur in einer Reihe von Aufsätzen zum Anwaltsrecht, sowie der Mitwirkung von Professor Wolf in der Ethikkommission des Präsidiums der Bundesrechtsanwaltskammer aus, sondern vor allem durch von Professor Dr. Reinhard Gaier, Richter des Bundesverfassungsgerichts, Rechtsanwalt Stephan Göcken, Sprecher der Geschäftsführung der BRAK und Professor Christian Wolf herausgegebenen Kommentar Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht.
In den Forschungsarbeiten von Professor Wolf wird insbesondere eine Verbindung zwischen dem Prozessrecht, der Rolle des Rechtsanwalts im Verfahren und dem anwaltlichen Berufsrecht gesucht.
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Bürgerliches Recht
Im Bereich des Bürgerlichen Rechts wird in erster Linie die Forschung in den ersten drei Büchern des BGB gepflegt. Von besonderem Interesse ist dabei die Fragestellung, in welchem Umfang unser Zivilrecht den Anforderungen eines marktwirtschaftlichen Steuerungsmodells entspricht. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei der Übergang des subjektiven Rechts von der Reziprozität zur Komplementarität. Der Einzelne kann das ihm eingeräumte Recht bis zur Grenze der Schikane, § 226 BGB, ausnutzen. Die komplementäre Struktur des Rechts ist entgegen der reziprozitären nicht von vornherein ausbalanciert. Hierin liegt Gefahr und Aufgabe zugleich. Eine Rechtsordnung, die auf konkrete Reziprozität verzichtet, muss dennoch ein Ausbalancieren der Rechte und Pflichten in anderer Form sicherstellen. Ansonsten bestände die Gefahr, dass man, wie Hüffe es formuliert, versucht, die Vorteile des wechselseitigen Freiheitsverzichts zu genießen, ohne dafür den Preis, den eigenen Freiheitsverzicht, zu bezahlen. Wie lässt sich dies unter den Bedingungen einer marktwirtschaftlichen Ordnung sicherstellen? Kann man sich z.B. beim Vertragsrecht im Sinne einer prozeduralen Gerechtigkeit auf die Kontrolle des Vertragsabschlussmechanismus beschränken oder bedarf es zusätzlich einer inhaltlichen Vertragskontrolle? Wie lassen sich Externalisierungen von Kosten zu Lasten Dritter vermeiden, ohne die Handlungsfreiheit allzu sehr einzuschränken?
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Legal Tech
Unter dem Sichtwort „Legal Tech“ werden unterschiedlichste Entwicklungen zusammengefasst. Die Bandbreite reicht von einfacher IT-gestützter Datenbankrecherche über Blockchain basierten „Smart Contracts“ bis hin zu automatisierter bzw. durch KI unterstützter Rechtsberatung. Ziel ist es, juristische Arbeitsprozesse zu unterstützen und zu automatisieren.
Aufgrund dieser praxisnahen Affinität der Thematik ist Ausgangspunkt der Überlegung, dass im Bereich von Legal Tech nicht nur theoretisch über bestimmte Fragen nachgedacht werden kann, sondern den Grenzen und Möglichkeiten der technischen Innovation auf das Rechtssystem auch praktisch nachgespürt werden muss.
In Folge dessen setzt der im Wintersemester 2017/2018 eingerichtet Legal Tech Inkubator mit seinem interdisziplinären Ansatz seinen Fokus nicht nur auf die theoretische Beantwortung von Fragen, sondern soll viel mehr die Möglichkeit bieten, Anwendungen zu entwickeln, die die von den Studierenden selbst herausgearbeiteten und ausgewählten Herausforderungen im Bereich Legal Tech lösen.
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Medizinrecht
Zwischen dem Max Planck Institut für Psychiatrie (Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie), Professor Dr. Matthias M. Weber, und dem Lehrgebiet besteht eine Forschungskooperation hinsichtlich der Fragestellungen, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen psychiatrische Forschung an Nichteinwilligungsfähigen durchgeführt werden kann.
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Zivilprozessrecht und Zivilprozessrechtsgeschichte
Zivilprozessrecht
Einen zentralen Forschungsbereich bildet das Zivilprozessrecht einschließlich des Insolvenzrechts. Im Mittelpunkt der aktuellen Arbeit steht die Kommentierung der Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen des BeckOK ZPO (Herausgeber Vorwerk/Wolf). Daneben wird die kritische Begleitung der Novellierung des Kapitalanleger Musterverfahrensgesetzt einen weiteren Arbeitsschwerpunkt im nächsten Jahr bilden.
Ein wesentliches Kennzeichen der Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des Prozessrechts ist der intensive Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis. Hierfür steht in erster Linie das Hannoveraner ZPO-Symposion. Zusammen mit der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) und der Rechtsanwaltskammer Celle haben Professor Vorwerk und Professor Wolf damit ein Forum für den Dialog von Wissenschaft und Praxis geschaffen. Die Ergebnisse der Hannoveraner ZPO-Symposien werden in NJW-Sonderheften dokumentiert.
Der Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis wird aber auch auf Podiumsdiskussion zu aktuellen Rechtspolitischen Fragestellungen, wie der Reform von § 522 ZPO, sowie in gemeinsamen Kommentierungsprojekten, wie Vorwerk/Wolf, KapMuG oder dem Beck OK ZPO gepflegt.
Zivilprozessrechtsgeschichte
I. Wohl kaum eine andere Stadt in Deutschland ist so eng mit der Entstehung der ZPO verbunden wie Hannover. Mit der allgemeinen bürgerlichen Prozeßordnung für das Königreich Hannover vom 8. November 1850 nahm die moderne Prozeßrechtskodifikation in Deutschland ihren Ausgangspunkt. Die allgemeine bürgerliche Prozeßordnung galt den Zeitgenossen als ein überragendes kodifikatorisches Meisterwerk. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich Hannover zum Mekka der Prozessualisten in Deutschland. Der Deutsche Bund wählte Hannover zum Sitz seiner Expertenkommission zur Erarbeitung einer einheitlichen Prozeßordnung für die deutschen Bundesstaaten gerade wegen der hannoverschen Prozeßordnung. Der Verfasser der hannoverschen Prozeßordnung, der ‚Hülfsarbeiter‘ im hannoverschen Justizministerium Adolf Leonhardt, wurde zum Mitglied der Kommission und zu deren Referenten bestellt. Auf der Grundlage der hannoverschen Prozeßordnung erarbeitete die Kommission den Entwurf einer Allgemeinen Zivilprozessordnung für die Deutschen Bundesstaaten, den sie 1866 vorlegte. Adolf Leonhardt, der 1865 noch zum hannoverschen Justizminister ernannt wurde, wechselte nach der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen in die preußischen Staatsdienste und wurde 1867 zum preußischen Justizminister ernannt. In dieser Funktion hatte er maßgeblichen Einfluss auf die Ausarbeitung der noch heute gültigen, wenngleich vielfach veränderten Zivilprozessordnung.
II. Anfang des 19. Jahrhunderts genügten die unterschiedlichen territorial zersplitterten Rechtsordnungen dem sich wirtschaftlich und sozial emanzipierenden Bürgertum nicht mehr. Industrialisierung und Handel forderten eine einheitliche, auf den Prinzipien der Eigentums- und Vertragsfreiheit aufgebaute Rechtsordnung. Formal sollte eine unitaristische und egalitäre Rechtsordnung entstehen. Wie insbesondere Wieacker (Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsbücher und die Entwürfe der modernen Gesellschaft, Karlsruhe 1953) aufzeichnete, handelte es sich hierbei jedoch um ein Sonderprivatrecht für die Pioniere der neuen Erwerbsgesellschaft. Die alte Elite, der Adel, musste aus seiner rechtlichen Sonderstellung verdrängt werden. Gleiches galt für das Berufsrecht der alten Stände, wie die der Handwerker. Die noch junge Lohnarbeiterklasse sollte in der neuen Rechtsordnung (noch) keinen Platz finden. In vielem gleicht die damalige Entwicklung dem, was heute auf europäischer Ebene passiert. Im Bereich des Prozessrechts wurden die Forderungen des erstarkten Bürgertums zuerst formuliert: Abschaffung der privilegierten Gerichtsstände, Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerichtsverhandlungen, so lauteten die Forderungen der Märzrevolution von 1848. Im Königreich Hannover gelang zuerst, das noch im Gemeinen Recht wurzelnde Prozeßrecht zu ersetzen und die Märzforderungen vollständig umzusetzen. Kennzeichnend für die hannoversche Prozeßordnung war, dass sie auf dem Mündlichkeitsprinzip fußte, mit der Einführung der Berufung das Rechtsmittelsystem straffte und das Eventualprinzip des Gemeinen Rechts zwar verabschiedete, jedoch das Beweisinterlokut beibehielt.
III. Der Lehrstuhl hat sich zur Aufgabe gemacht, die hannoversche Prozessrechtsgeschichte verstärkt zu pflegen. So soll im Rahmen des vom Land Niedersachsen geförderten Drittmittelprojekts "Der ideengeschichtliche und dogmatische Einfluss der Hannoverschen Prozessordnung auf die Deutsche Zivilprozessrechtsordnung" eine monographische Bearbeitung der Entstehungsgeschichte und Wirkung der hannoverschen Prozeßordnung von 1850 durchgeführt werden. Das Forschungsprojekt soll insbesondere die Bedeutung und herausragende Stellung der hannoverschen Prozessordnung von 1850 und deren Einfluss auf die Reichszivilprozessordnung untersuchen. Darüber hinaus ist eine kritische Biographie der Person Leonhardts geplant.
Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden bereits zahlreiche und vor allem umfangreiche Akten des Niedersächsischen Hauptstaatsarchivs Hannover gesichtet und teilweise transkribiert. Als Beispiel für die besondere Hochschätzung, die die Zeitgenossen der hannoverschen bürgerlichen Prozessordnung von 1850 entgegenbrachten, mag das Schreiben aus dem Jahr 1860 dienen, in dem die königliche württembergische Regierung um die Erlaubnis bat, einen eigenen Gesandten nach Hannover schicken zu dürfen, um das dortige Zivilprozessverfahren kennen zu lernen.
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Schiedsgerichtsbarkeit
Die Handelsschiedsgerichtsbarkeit dient der Schlichtung von Streitigkeiten aus internationalen Wirtschaftsverträgen. In diesem Forschungbereich werden u.a. die vom Lehrstuhlinhaber kommentierten Pargagraphen zum deutschen Schiedsverfahrensrecht im Beck Online-Kommentar zur ZPO (Hrsg. Vorwerk/Wolf) betreut. Darüber hinaus werden die mit der privaten Streitbeilegung zusammenhängenden Rechtsprobleme erforscht.
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Europäisierung der Privatrechtsordnung
Ein wichtiges Forschungsfeld bildet der immer größer werdende Einfluss des EG-Rechts auf unsere Privatrechtsordnung. Mit dem EuGVÜ ist auf einem Teilgebiet des Zivilprozessrechts bereits seit längerem europäisches Einheitsrecht geschaffen. Mit der der EU eingeräumten Kompetenz im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit hat die EU nunmehr die Möglichkeit erhalten, auf breiter Front die europäische Rechtsvereinheitlichung durch Richtlinien und Verordnungen voranzutreiben. Dabei wird in zunehmendem Umfang auch in die Kernbereiche deutscher Zivilrechtsdogmatik eingegriffen. Als Beispiel hierfür können die Gesetzesänderungen zur Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie dienen. So wurde z.B. in § 14 BGB der Verbraucherbegriff neu legaldefiniert. Gleichfalls wurde ein einheitlicher Rückabwicklungstatbestand geschaffen.
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Menschenrechtsschutz durch Zivilprozess
Ein relativ junges Forschungsgebiet stellt das Thema "Menschenrechtsschutz durch Zivilprozess" dar. Der völkerrechtliche Schutz der Menschenrechte wurde als Reaktion auf die beispiellosen Greueltaten des Dritten Reichs entwickelt. Bis dahin war man weitgehend der Ansicht, dass das Wohlergehen der Menschen im Ermessen des Heimat- oder Aufenthaltstaats am besten aufgehoben sei. Völkerrecht war reines Zwischenmächterecht.
Bereits mit der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 wurde die Internationalisierung des Menschenrechtsschutzes eingeleitet. Zwischenzeitlich ist die materiell-rechtliche Seite des internationalen Menschenrechtsschutzes durch eine Vielzahl von internationalen Abkommen ausgebaut worden. Die verfahrensrechtliche Absicherung hat mit dieser materiell-rechtlichen Entwicklung jedoch bei weitem nicht Schritt gehalten. Auf völkerrechtlicher Ebene des UN-Systems fehlt es immer noch an effektiven Durchsetzungsmechanismen.
Als Reaktion auf diesen Befund wurde in den U.S.A. zu Anfang der 80er Jahre die Privatisierung des internationalen Menschenrechtsschutzes eingeläutet. Durch die sogenannte human rights litigation oder transnational public litigation werden Opfer von Menschenrechtsverletzungen in die Lage versetzt, die Täter vor Zivilgerichten auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Hierdurch wurde ein effektiverer Durchsetzungsmechanismus für den internationalen Menschenrechtsschutz geschaffen. Die Voraussetzungen für diese Entwicklung waren in den U.S.A. besonders günstig, weil die U.S.A. über das notwendige prozessrechtliche Rüstzeug für einen stark privatrechtlich (haftungsrechtlich) ausgeprägten Rechtsgüterschutz verfügen.