Gegenwärtig steht das humanitäre Völkerrecht vor scheinbar unlösbaren Herausforderungen. Nicht nur der Krieg in der Ukraine oder der Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Hamas haben einmal mehr die Fragilität der internationalen Rechtsordnung gezeigt und stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Menschenrechte dar. Die Zahl der gegenwärtigen Konflikte und ihre Folgen haben einen erheblichen Einfluss auf das Handeln der Internationalen Gemeinschaft. Die gegenwärtigen Entwicklungen sind ein weiterer wichtiger Test für die Durchsetzungsfähigkeit von Rechtsnormen in Zeiten andauernder internationaler Konflikte.
Die nunmehr 2. Summer School des Deutschen Roten Kreuzes-Region Hannover e. V. und des Instituts für Internationales Recht der Juristischen Fakultät Hannover nahm dies zum Anlass, einige dieser Herausforderungen an das moderne Völkerrecht ausführlicher zu Diskustieren.
Unter der wissenschaftlichen Leitung des Präsidenten der Leibniz Universität Hannover (LUH) Prof. Dr. Volker Epping, Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann und Dr. Stefan Birkner wurde in der Woche vom 26. bis zum 30. September 2023 eine tägliche Veranstaltung zum Völkerrecht an der Juristischen Fakultät Hannover durchgeführt. Hochkarätige Referenten aus dem In- und Ausland, insbesondere Prof. Dr. Patrick R. Hugg (Loyola University College of Law New Orleans) und Prof. Dr. Manuel Brunner (Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen) sowie Vincent Widdig (DRK Region Hannover / LUH), haben in diesem Kontext gelehrt und mit den Studierenden über die aktuellen Herausforderungen an das humanitäre Völkerrecht diskutiert.
Ihren Abschluss fand die Summer School mit einem Expert:innen-Symposium in der Villa Seligmann unter dem Motto „War Crimes as Challanges to International Humanitarian Law“ am 30. Setptember 2023. Das Deutsche Rote Kreuz-Region Hannover e. V. sowie das Institut für Internationales Recht der Juristischen Fakultät Hannover hatten interessierte Studierende sowie die Öffentlichkeit eingeladen, an dieser spannenden Diskussion teilzunehmen.
Anwesend waren nicht nur renommierte Extert:innen auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts sondern auch von Seiten des Präsidiums des Deutschen Roten Kreuzes-Region Hannover e. V. auch die Präsidentin, Frau Martina Rust, sowie von Seiten des einschlägigen Vorstands der Vorstandsvorsitzende, Herr Anton Verschaeren. Frau Rust eröffnete die Veranstaltung dann auch offiziell mit einem Grußwort, indem die Summer School als solche, aber auch die vielschichtigen Tätigkeiten des Deutschen Roten Kreuzes-Region Hannover e.V. näher präsentiert wurden.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Stefan Birkner. Das Symposium begann mit einigen einleitenden Worten von Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann und Dr. Stefan Birkner. Aufgeworfen wurde zu Beginn die Frage der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts – grade in Bezug auf das Völkerstrafrecht. Welche Mittel stehen zum effektiven Schutz ziviler Infrastruktur zur Verfügung? Hilft hier die Sanktionsmöglichkeit durch das Völkerstrafrecht? Vor diesem Hintergrund zu beachten ist jedenfalls die kürzliche Absage Vladimir Putins zur Teilnahme am Brics-Gipfel in Südafrika.
An diese Fragen schloss sich der Beitrag zum Thema "War Crimes and International Law" von Prof. Dr. Patrick R. Hugg (Loyola University College of Law, New Orleans) an. In seinem anschaulichen Beitrag erläuterte er unter anderem den Konflikt zwischen Armenien und Azerbaijan rund um die Region Nagorny Karabach. Er hob die Rolle der EU als Friedensgarant nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hervor sowie die Bedeutung von Völkerrecht bei der Schaffung von Frieden. In Seinem Vortrag kritisierte er das Zusammenspiel von Realpolitik und Völkerrecht und hob die Verantwortung des UN-Sicherheitsrates bei der Bewältigung von internationalen Krisen hervor.
Eine weitere Perspektive zu dem Thema lieferte dann Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann mit seinem Vortrag "Kriegsverbrechen gegen das kulturelle Erbe". In seinem Beitrag untersuchte er kritisch die Rolle von Kriegsverbrechen in Bezug auf die kulturelle Identität sowie die das Zusammenspiel von UNESCO und privaten sowie staatlichen Akteuren auf diesem Gebiet. Er wies auf die Schwächen des Völkerrechts in diesem Bereich hin und diskutierte die gegenwärtigen Errungenschaften des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf dem Schutz kulturellen Erbes in bewaffneten Konflikten. In der anschließenden Diskussion wurde dann die Frage des konkreten Handlungsadressaten besprochen. Sind hier primär die Staaten, die Streitkräfte konkret oder abstrakter der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bzw. die UN-Generalversammlung in der Pflicht?
Mit seinem Impuls "Perspektivenwechsel: Herausforderungen der neuen Sicherheitsbeziehungen im Inland " schlug dann Dr. Alexander Götz (BMVg) in seiner Doppelfunktion als Landeskonventionsbeauftragter des DRK Niedersachsens sowie als Abteilungsleiter im Bundesministerium der Verteidigung sodann eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis. Er diskutierte das Zusammenspiel von staatlicher Wehrhaftigkeit sowie bedingungslosen und vorbehaltslosen Humanitarismus und Solidarität sowie die Bedeutung stabiler demokratischer Staatlichkeit als elementaren Beitrag für den Frieden und Voraussetzung des Schutzes Dritter. Ebenso diskutierte er die Frage der Wehrhaftigkeit als Element der Rechtsdurchsetzung. Er hob Bedeutung der Resilienz des Staates aber auch der Gesellschaft gegenüber neuartigen hybriden und technologischen Herausforderungen hervor. Dies beinhalte natürlicherweise auch den kritischen und diskursiven Umgang mit der eigenen Geschichte.
Den Abschluss der Diskussion rundete dann Prof. Dr. Manuel Brunner (Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen) mit seinem Betrag "The Australian War Crimes Trials after World War II" ab. Manuel Brunner warb mit einer neuen Perspektive auf die Ahnung und Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in Australien für eine bessere und effektivere Sanktionierung von Kriegsverbrechen durch die (National-)Staaten. Trotz der Herausforderungen der Beweisführung vor denen die Staaten in nationalen völkerstrafrechtlichen Verfahren stehen, sind sie ein wesentliches Instrument zur Durchsetzung der völkerrechtlichen Strafandrohung. Das Völkerrecht habe viele Möglichkeiten zu Geltung zu kommen – dies sei nicht beschränkt auf rein Internationale Tribunale. Im Übrigen bedeutet Wehrhaftigkeit in diesem Kontext auf die Fähigkeit zur Aufarbeitung von Kriegsverbrechen.
Die Teilnehmer konnten zwischen den Impulsvorträgen der Vortragenden die Möglichkeit intensiver Diskussionen wahrnehmen, was sie auch rege taten. Es entwickelte sich ein fruchtbarer Austausch dessen Ergebnisse die Teilnehmenden der 2. Summer School zum Humanitären Völkerrecht an der LUH mit nach Hause nahmen und sicherlich auch in dem folgenden Jahr vertiefen können, wenn wir uns wieder freuen, die 3. Summer School zum humanitären Völkerrecht ausrichten zu können.
Wir danken dem ganzen Team der Villa Seligmann insbesondere Herrn Eliah Sakakushev-von Bismarck ganz herzlich für die Möglichkeit der Durchführung der Abschlussveranstaltung der Summer School in den außerordentlich besonderen Räumlichkeiten der Villa Seligmann.
Verfasst von Vincent Widdig.
Ausblick
Die dritte Summer School zum humanitären Völkerrecht findet vom 02. bis zum 07. September 2024 statt. Mehr erfahren Sie in Kürze hier.
Veranstaltungen für Studierende
Wenn Sie sich bereits im Studium vertieft mit Fragestellungen des internationalen Rechts und des Völkerrechts auseinandersetzen für Völkerrecht und wollen sich, empfehlen wir Ihnen folgenden Schwerpunktbereich: