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OVG Bremen, Beschluss vom 23.10.2020 – 1 B 331/20

OVG Bremen, Beschluss vom 23.10.2020 – 1 B 331/20

Demo mit Reichskriegsflaggen darf stattfinden (trotz Corona).

Aus dem Beschluss (Überschriften nur hier):

Verstoß gegen öffentliche Sicherheit und Ordnung durch das Schwenken von Reichs(kriegs)flaggen?

Nach § 15 Abs. 1 Alt. 2 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durch-führung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist (...).

Ein unmittelbarer Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit liegt in dem beabsichtigten Zeigen der Reichs(kriegs)flaggen jedenfalls nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass mit dem von der Antragsgegnerin angeführten internen Erlass vom 14.09.2020 – entgegen der irreführenden Darstellung in der Öffentlichkeit – nicht das Verwenden von Reichs(kriegs)flaggen verboten worden ist. Der Erlass gibt lediglich die Rechtsauffassung des Senators für Inneres zur Auslegung des § 118 OWiG wieder (...). Mit Recht hat das Verwaltungsgericht zudem ausgeführt, dass durch den Inhalt einer Mei-nungsäußerung nicht gegen § 118 Abs. 1 OWiG verstoßen und insofern auch keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründet werden kann.

Im beabsichtigten Zeigen der Reichskriegsflagge liegt aber auch keine unmittelbare Ge-fahr für die öffentliche Ordnung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG (...). Beschränkungen einer öffentli-chen Versammlung sind zulässig, wenn von der Art der gemeinschaftlichen Kundgabe eine Gefahr für die öffentliche Ordnung auszugehen droht, die nicht auf der bloßen Äußerung der Inhalte beruht, sondern auf besonderen, beispielsweise provokativen oder aggressi-ven, das Zusammenleben der Bürger konkret beeinträchtigenden Begleitumständen (...). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass für eine solche Gefahrenlage hier keine hinreichenden Anhaltspunkte gegeben sind. Alleine das Zeigen von – nicht während der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus verwendeten – Reichs(kriegs)flaggen durch etwa 100 Versammlungsteilnehmer, die dem rechtsextremistischen Spektrum zuzu-rechnen sind, erfüllt die dargelegten hohen Anforderungen der Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts nicht. Dafür genügt es auch nicht, dass die Reichs(kriegs)flagge mittlerweile von Rechtsextremen als Erkennungszeichen verwendet wird und so mittlerweile auch verstanden wird.

Speziell zur Corona-Lage:

Die mit der Beschwerdebegründung nochmals angeführten Infektionsgefahren und Aus-breitungsrisiken hinsichtlich der Covid-19-Pandemie greifen überwiegend nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass eine Versammlung nicht mit der Begründung verboten werden kann, wegen potentiell konfliktträchtiger Gegendemonstrati-onen ergäben sich bei Durchführung der Versammlung Infektionsgefahren für Teilnehmer, Gegendemonstranten und Polizeibeamte, wenn diese Gefahren durch Auflagen auf ein solches Maß reduziert werden können, dass sie zur Gewährleistung einer praktischen Kon-kordanz von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens auf der einen Seite und Art. 8 GG sowie ggf. Art. 21 Abs. 1 GG auf der anderen Seite hinzunehmen sind (...). Soweit die Antragsgegnerin auf eine „infektiologische Gemengelage“ aus Teilnehmenden, Gegendemonstranten und Einkaufenden hinweist, ist es grundsätzlich Aufgabe der Polizei, diese Gruppen zu trennen und die Versammlung zu schützen.

Beschluss frei zugänglich