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BVerfG, Beschluss vom 23.09.2024 – 1 BvL 9/21

BVerfG, Beschluss vom 23.09.2024 – 1 BvL 9/21

BAföG-Grundpauschale im Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 mit dem Grundgesetz vereinbar.

Amtliche Leitsätze:

  1. Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) sichert die menschenwürdige Existenz derjenigen, die hierzu selbst nicht in der Lage sind, und ist auf die dazu unbedingt notwendigen Mittel beschränkt. Er besteht nicht, wenn diese Bedürftigkeit etwa durch Aufnahme einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit beendet oder vermieden werden kann, auch wenn dann die Ausübung bestimmter grundrechtlicher Freiheiten wie die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Durchführung eines Hochschulstudiums nicht möglich sein sollte.
  2. Das Recht der Hochschulzugangsberechtigten aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot gewährleistet eine gleichheitsgerechte Verteilung der tatsächlich zur Verfügung gestellten Ausbildungskapazitäten, umfasst aber kein Recht auf staatliche Leistungen zur Beseitigung von den gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldeten Hindernissen für den Zugang zum Studium.
  3. a) Aus dem Sozialstaatsprinzip können mit Blick auf den weiten Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber nach dem Demokratieprinzip und dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG) bei der infolge der Begrenztheit der finanziellen Mittel notwendigen Priorisierung der vielfältigen Aufgaben zusteht, grundsätzlich keine subjektiven Ansprüche auf staatliche Leistungen zur Beseitigung sozialer Ungleichheiten hergeleitet werden.
    b) Die Ermöglichung des Studiums mittelloser Hochschulzugangsberechtigter erscheint im Verhältnis schon zu anderen Sozialbedarfen nicht derart unverzichtbar, dass die dafür notwendigen Mittel ausnahmsweise durch die Anerkennung eines entsprechenden Leistungsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip den Verteilungsentscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers dauerhaft entzogen werden können.
  4. Angesichts der besonderen Bedeutung sozialer Durchlässigkeit der Bildungs- und Ausbildungswege folgt aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip ein Auftrag des Staates zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen. Dieser Förderauftrag verdichtet sich zu einer objektiv-rechtlichen Handlungspflicht, wenn ganze Bevölkerungsgruppen faktisch keine Chance auf Zugang zu bestimmten Ausbildungs- und Berufsfeldern haben.

Beschluss frei zugänglich.​​​​​​​