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Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft: Rückblick auf die 7. Konferenz

Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft: Rückblick auf die 7. Konferenz

„Wie resilient ist die Anwaltschaft? – Herausforderungen für Rechtsstaat, anwaltliche Selbstverwaltung und Anwaltschaft angesichts erstarkender antidemokratischer Kräf-te“ – mit diesem Thema befasste sich am 08. November 2024 die Konferenz „Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft“. Bereits zum siebten Mal richteten die Bundesrechtsanwalts-kammer (BRAK) und das Institut für Prozess- und Anwaltsrecht (IPA) die jährlich stattfinden-de Konferenzreihe aus.

Mit den Grußworten von Professor Dr. Christian Wolf, Geschäftsführer des Instituts für Prozess- und Anwaltsrecht, und von Dr. Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, startete die Konferenz im 14. Stock des Conti-Hochhauses an der Leibniz Universität Hannover. Die Tagungsleitung übernahm André Haug, Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer.

Für die Juristische Fakultät sprach der Dekan Professor Dr. Jan Eichelberger Grußworte an die rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dabei hob er die Bedeutung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für den Rechtsstaat hervor. Eine Verfolgung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, wie der aktuelle Fall der Asylanwältin des Solingen-Attentäters, sei auf das schärfste zu verurteilen.

Der erste Themenblock hatte die Resilienz von Anwältinnen und Anwälten zum Gegenstand. Einleitend stellte Maaike Bomers von der niederländischen Rechtsanwaltskammer die Kernaussagen verschiedener Studien über die Bedrohung von Anwältinnen und Anwälten vor, die in den vergangenen Jahren in den Niederlanden durchgeführt wurden. Aus diesen Studien wurden verschiedene Maßnahmen, wie beispielsweise ein Leitfaden für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, entwickelt, wie mit Bedrohungen aufgrund ihrer Berufsausübung umzugehen ist. Nachfolgend gewährte Seda Basay-Yildiz ganz persönliche Einblicke in die Folgen ihrer Arbeit als Strafverteidigerin. Als Anwältin der Nebenklage der Angehörigen der Opfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU ist sie Opfer von zahlreichen Bedrohungen geworden. Nicht nur sie und ihre Familie haben Morddrohungen erhalten, auch ihre private Adresse wurde trotz Unkenntlichmachung im Melderegister veröffentlicht. In dem anschließenden Vortrag stellte Susanne Münch vom BMJ eine Europarats-Konvention zum Schutz des Anwaltsberufs vor. In der Konvention sollen verschiedene Standards des anwaltlichen Berufsrechts, wie die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft, verbindlich festgestellt werden. Zwar unterscheide sich der Inhalt der Konvention nicht von den nationalen Vorschriften aus der BRAO, jedoch können aus einem bindenden internationalen Vertrag Schutzpflichten des Staates hergeleitet werden.

In einem Zwischenruf referierte Kira Ayyadi von der Amadeu Antonio Stiftung zum Thema „Netzwerke rechtsextremer Anwält:innen“. Sie legte dar, wie Anwältinnen und Anwälte aus der rechtsextremen Szene den Gerichtssaal als Bühne für ihre politischen Ideologien nutzen. So wurde beispielsweise der NSU-Prozess in München genutzt, um rechtsextreme Propaganda zu verbreiten. Aber auch die Privilegien der Anwaltschaft, wie das Recht zur Akteneinsicht oder das Zeugnisverweigerungsrecht, werden von den Szeneanwältinnen und -anwälten missbraucht.

Im zweiten Themenblock – „Wie resilient ist die Anwaltschaft?“ – stellten zunächst Dr. Tanja Nitschke und Professor Dr. Christian Wolf berufsrechtliche Möglichkeiten vor, um gegen politische Extremisten in der Anwaltschaft vorzugehen. Tiefergehend setzten sich die beiden Referenten mit der Frage auseinander, ob Referendarinnen und Referendaren mit extremistischen bzw. verfassungsfeindlichen Gesinnungen die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst verwehrt werden darf. Anschließend hielt Professor Dr. Winfried Kluth einen Vortrag zum Thema „Politische Extremisten in der Selbstverwaltung“. Zum Abschluss des zweiten Themenblocks erläuterte Dr. Maximilian Gerhold, inwieweit die freie Anwaltschaft im Grundgesetz abgesichert ist und bezog dabei eine rechtsvergleichende Sicht mit dem französischen Recht ein.

In einem zweiten Zwischenruf referierte Prof. Dr. Robert Grzeszczak zu Polens Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit. Dabei arbeitete er heraus, welche strukturellen Barrieren bei der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit überwindet werden müssen. Durch die PiS-Regierung sei nicht nur der Verlust der Medienunabhängigkeit, sondern insbesondere eine politische Abhängigkeit der Justiz geschaffen worden. Die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit bedürfe daher viel Geduld und langfristige Reformen.

Der dritte Themenblock setzte sich thematisch mit der Resilienz des Rechtsstaates auseinander. Den Themenblock einleitend erläuterte Dr. Lennart Laude das Thüringen Projekt, ein Forschungsprojekt zur Resilienz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland. Mit diesem Projekt sollen juristisch mögliche und politisch plausible Entwicklungen aufgedeckt werden, die eine autoritär-politische Partei auf Landesebene hätte. Am Beispiel des Verfassungsgerichtshofs in Thüringen zeigte Laude auf, wie die Sperrminorität einer Partei bei der Wahl der Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofs die Erzählung vom dysfunktionalen Rechtsstaat stärken kann. Im Anschluss schilderte Dr. Thomas Dickert, wie die Justiz eines Landes politisch umgepolt werden kann. Dabei nahm er Bezug auf die historische Vergangenheit Nürnbergs ein und rekurrierte auf die wichtige Stellung der Oberlandesgerichte. Anschließend befasste sich Dr. Yvonne Ott, Richterin am Bundesverfassungsgericht, mit der Frage, wie das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich abgesichert werden kann. Dabei ging Ott auf verschiedene Vorschläge ein, wie Beispielsweise ein Ersatzwahlmechanismus, nachdem der Bundesrat anstelle des Bundestages die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts wählt, sollte im Bundestag eine Sperrminorität die Wahl der Richterinnen und Richter verhindern.

An den dritten Themenblock anschließend hielt Professor Dr. Dres. h.c. Angelika Nußberger die Keynote der Konferenz. In der Keynote thematisierte sie zunächst die aktuellen Gefährdungen des Rechtsstaats am Beispiel Polen und kam dabei auf die bereits von Prof. Dr. Grzeszczak geschilderten Schwierigkeiten bei der Umkehr der Reformen zurück. Dabei schilderte Sie ihre Arbeit in der Venedig Kommission, die sich mit der Frage auseinandersetzt, ob die Urteile des polnischen Verfassungsgerichtshofs, die mit unrechtmäßiger Besetzung erlassen wurden, für nichtig erklärt werden können. Im Anschluss stellte sie anhand der Rechtsprechung des EGMR dar, welche Rolle der Rechtsanwaltschaft für die Aufrechterhaltung des Rechtsstaates zukommt.

Die Konferenz fand ihren Abschluss in der von Kolja Schwartz moderierten Podiumsdiskussion. Gemeinsam diskutierten Dr. Ulrich Wessels, Dr. Yvonne Ott, Professor Dr. Dres. h.c. Angelika Nußberger, und Professor Dr. Christian Wolf über die Anwaltschaft als Verteidigerin des Rechtsstaats.

Insgesamt kann auf eine erfolgreiche und inhaltsreiche Veranstaltung zurückgeblickt werden. Für alle Interessenten findet die nächste und damit 8. Anwaltskonferenz am 14. November 2025 statt.