Digitalisierung und KI werfen auch in der Medizin eine Vielzahl von (Rechts-)Fragen auf. Einigen davon ging Prof. Eichelberger an den Beispielen Telemedizin und KI in der Arztpraxis beim 6. Hannoverschen Symposium zum Gesellschafts- und Steuerrecht "Aktuelle Herausforderungen im Gesundheitswesen — Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Digitalisierung" im Königlichen Pferdestall in Hannover nach.
Zur Telemedizin gab Prof. Eichelberger zunächst einen Rückblick in die Historie und Gründe des früheren arztberufsrechtlichen "Fernbehandlungsverbots" in § 7 Abs. 4 MBO-Ä (a.F.) sowie des dieses flankierenden Werbeverbots für Fernbehandlungen in § 9 HWG (a.F.). Ursprünglich zur Verhinderung von Auswüchsen wie namentlich der ärztlichen "Behandlung" ("Befundung", Diagnose, bis hin zu Verordnung und Versendung von Arzneimitteln) mittels Briefs ohne jeden Patientenkontakt gedacht und notwendig, standen diese Regelungen bis vor wenigen Jahren der praktischen Anwendung neuer Möglichkeiten der medizinischen Behandlung im Wege, die infolge des rasanten Fortschritts - multimediale Fernkommunikationsmittel, Smartphones mit hochauflösenden Kameras und Sensoren für medizinische Daten etc. - technisch möglich geworden sind. Sodann erläuterte Prof. Eichelberger, dass zwar zwischenzeitlich eine Liberalisierung des ärztlichen Berufsrechts und des Werberechts erfolgt ist, jedoch zentrale Fragen nach wie offen sind. Insbesondere die zum neuen Werberecht ergangene BGH-Entscheidung "Werbung für Fernbehandlung" (Urt. v. 9.12.2021 – I ZR 146/20) gäbe letztlich Steine statt Brot, wenn dort auf einen eigenen Fernbehandlungsstandard abgestellt wird.
- Eichelberger, Das neugefasste Werbeverbot für Fernbehandlung (§ 9 HWG n.F.) – Doch keine Liberalisierung?, in: WRP 2022, 679-682
- Eichelberger, Werbung für ärztliche Fernbehandlungen, in: FS Harte-Bavendamm, 2020, S. 289-302
Zum Einsatz von KI in der Arztpraxis erläuterte Prof. Eichelberger neben Grundlagen der KI zum einen, ob und unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Besonderheiten KI-Systeme bei der medizinischen Behandlung eingesetzt werden dürfen oder möglicherweise sogar müssen. Stichworte hier sind insbesondere Therapiefreiheit, Neulandmethode, Aufklärung und Einwilligung sowie (ggf. unzulässige) Delegation an Nichtärzte. Zum anderen ging er der Frage nach, ob und unter welchen Voraussetzen der ein solches System einsetzende Arzt für etwaige Fehlfunktionen des Systems haftet. Neben allgemeinen Haftungsfragen für "Fehlfunktionen" von KI (§§ 278, 831 BGB, Gefährdungshaftung, Eigenhaftung des Systems, Fondslösungen etc.) standen hier spezifisch arzthaftungsrechtliche Aspekte - Privilegierung bei horizontaler Arbeitsteilung sowie das vollbeherrschbare Risiko (§ 630h Abs. 1 BGB) - im Mittelpunkt.
- Eichelberger, Arzthaftung, in: Chibanguza/Kuss/Steege (Hrsg.), Handbuch Künstliche Intelligenz - Recht und Praxis automatisierter und autonomer Systeme, Nomos, 2022, S. 655-674
- Eichelberger, Zivilrechtliche Haftung für KI und smarte Robotik, in: Ebers/Heinze/Krügel/Steinrötter (Hrsg.), Rechtshandbuch Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 5 (S. 172-199)
- Eichelberger, Der Vorschlag einer „Richtlinie über KI-Haftung“, in: Der Betrieb 2022, 2783-2789