Am Abend des 09.07.2019 hat das Interdisziplinäre Institut für Automatisierte Systeme e.V. (RifaS), der Lehrstuhl für Zivilrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht (Prof. Dr. Buck-Heeb) und der Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Zivil- und Handelsrecht (Prof. Dr. Oppermann) zu einer weiteren Veranstaltung der Ringvorlesung eingeladen. Zu Freude der Veranstalter konnte Herr Professor Eichelberger als fakultätsinterner Referent für die Ringvorlesung gewonnen werden. Thema des Abends war „Automatisiertes Fahren und Versicherungsrecht“.
Die gut besuchte Veranstaltung begann mit einer kurzen Begrüßung durch Herrn Dr. Kuuya Chibanguza als Direktor des RifaS. Er wies auf die Tätigkeit des Vereins hin, die angesichts der steigenden Bedeutung automatisierter Systeme insbesondere die Felder Verkehr und Mobilität, Produktion und Wirtschaft sowie Medizin betrifft. Nachdem Frau Prof. Dr. Buck-Heeb, zugleich Prodekanin der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover, das Wort übernommen hatte, machte sie auf die große Bedeutung von Interdisziplinarität aufmerksam. Insbesondere betonte sie, welche Relevanz der interdisziplinäre Dialog zur Lösung von Problemstellungen hat.
Sodann begann Herr Professor Eichelberger mit seinem Vortrag. Einleitend erläuterte er, dass dem Versicherungsrecht angesichts der hohen Zahl zugelassener Fahrzeuge generell eine immense Bedeutung zukommt. Als Ausgangspunkt stellte er einen kurzen Beispielsfall aus dem Haftungsrecht dar, der den Zuhörern das Prinzip der Gefährdungshaftung gem. § 7 StVG und die damit verbundene Notwendigkeit der Versicherungspflicht näherbrachte. Kurze Erläuterungen zur Voll- und Teilkaskoversicherung verschafften den Zuhörern einen Überblick über das Versicherungsrecht im Hinblick auf Kraftfahrzeuge.
Im Fokus des Vortrags standen natürlich die Besonderheiten von voll- oder teilautomatisierten Systemen im Straßenverkehr im Zusammenhang mit dem geltenden Versicherungsrecht. In einem „Frage-Antwort-Spiel“ gewann Herr Professor Eichelberger die Aufmerksamkeit der Zuhörer und legte strukturiert die Problematiken des Autonomen Fahrens in Bezug auf die versicherungsrechtlichen Vorschriften dar.
Die Zuhörer konnten zu einigen Fragestellungen aus dem Versicherungsrecht neue Erkenntnisse gewinnen. Dazu führte Herr Professor Eichelberger aus, dass die Leistungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers im Schadensfall grundsätzlich gegeben sei und auch die Voraussetzung „Gebrauch eines Kraftfahrzeuges“ trotz automatisierter Steuerung vorliege. Darüber hinaus sei es nicht möglich, den generellen Versicherungsschutz zu verlieren, da § 4 der Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (KfzPflVV) nicht an die Art der Steuerung anknüpfe.
Mit Blick auf weitere Einschränkungen und den Verlust des Versicherungsschutzes in der Kfz-Haftpflichtversicherung ging der Referent auf die Problematik der „Führerscheinklausel“ gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4 KfzPflVV ein sowie auf mögliche Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag, die bspw. die Nutzung oder Nichtnutzung des Autopiloten, die stetige technische Aktualisierung des Autopiloten oder die Pflicht, den Versicherer darüber aufzuklären, dass ein Fahrzeug autonom ist, betreffen können.
Weiterhin verneinte Herr Professor Eichelberger grundsätzlich eine Gefahrerhöhung durch die Nichtnutzung/Deaktivierung eines Autopiloten, die nachträgliche Ausstattung eines Fahrzeugs mit einem Autopiloten oder die Nutzung eines fehlerhaften Autopiloten. Anders könne dies aber sein, wenn die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird oder die Zulassung des Fahrzeugs erlischt. Insoweit könne dann auch das Unterlassen einer gebotenen technischen Aktualisierung („Update“) zu einer Gefahrerhöhung führen.
Im Anschluss daran fokussierte sich Herr Professor Eichelberger auf die Kasko-Versicherung. Dabei stellte er insbesondere die Problematik von Hackerangriffen dar. Bzgl. der Einbeziehung von Hackerangriffen als Vandalismus in die Vollkaskoversicherung vertritt er entgegen einiger Stimmen aus der Literatur und Praxis die Ansicht, dass es auf das Vorliegen einer physischen Beeinträchtigung nicht ankommt und eine Leistungspflicht des Versicherers besteht, wenn das Fahrzeug per Funk beeinträchtigt wird. Ein Unterschied zu einer physischen Beeinträchtigung bestehe nicht. Darüber hinaus wies Herr Professor Eichelberger darauf hin, dass ein Eingreifen der Teilkaskoversicherung bei einem Diebstahl des Fahrzeugs „aus der Ferne“, sprich online, aufgrund der Beweislast, die den Versicherungsnehmer trifft, problematisch sei.
Zu guter Letzt bot der Referent einen Exkurs zur Herstellerhaftung und zum Regress. Er erklärte, die Herstellerhaftung sei in der Praxis bislang wenig bedeutsam, da lediglich ca. 1 % der Unfälle aufgrund technischer Mängel verursacht würden. Ferner sei die Inanspruchnahme des Herstellers regelmäßig wegen der Beweislast schwierig. De facto sei es für den Geschädigten bedeutend einfacher, den Schädiger oder die Versicherung in Anspruch zu nehmen. Auch ein möglicher Regress des Versicherers gegen den Hersteller sei bisher in der Praxis wenig relevant. Herr Professor Eichelberger setzte seine Ausführungen fort und erläuterte kritisch, dass der Versicherer möglicherweise aufgrund einer Nebenpflicht aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet sein könnte, beim Schädiger Regress zu nehmen, um die Versicherungsprämien gering zu halten.
Abschließend fasste Herr Professor Eichelberger zusammen, dass voll- oder teilautomatisierte Systeme im Straßenverkehr im Hinblick auf die Anwendung versicherungsrechtlicher Regelungen insgesamt wenige Fragen aufwerfen. Lediglich einige „Kleinigkeiten“ müssen geregelt werden.
Dem lehrreichen Vortrag folgte eine angeregte Diskussion mit vielen Nachfragen aus dem Publikum, die von Frau Professorin Buck-Heeb moderiert wurde. Sie bedankte sich schließlich sowohl bei ihrem Kollegen für seine spannenden Ausführungen als auch bei den Diskutanten aus der zahlreich erschienenen Zuhörerschaft.
Verfasst von stud. iur. Katharina Neumann.