Nach dem erfolgreichen Auftakt am 07. Dezember 2023 gingen die „Hannoverschen Gesprächen zum Humanitären Völkerrecht“ des Deutschen Roten Kreuz‘-Region Hannover e.V. und des Instituts für Internationales Recht der Leibniz Universität Hannover in die zweite Runde:
Die Veranstaltung am Montag, den 19. Februar 2024, stand unter dem Motto „Recht und Konflikte – Auswirkungen bewaffneter Konflikte und Krisen auf die Umwelt“ und fand von 18.00 bis 20.00 Uhr im 14. Stock des Conti-Hochhauses statt.
Als Referentinnen konnten Frau Dr. Anne Dienelt, Maître en droit (Aix-en-Provence), (Universität Hamburg) und Frau Anne Fock LL.M (Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)) gewonnen werden. Frau Fock trug zum Thema „Schutz der Umwelt im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt: Utopie angesichts eines fehlenden direkten Schutzes?“ vor. Frau Dienelt zum Thema „Schutz der Umwelt und bewaffnete Konflikte“. Begleitet wurde die Veranstaltung visuell von einem hierfür von Frau Dr. Dienelt entworfenen Comic.
Die Veranstaltung wurde wie immer moderiert von Dr. Stefan Birkner.
Bewaffnete Konflikte und Krisen haben oft langfristige Folgen, die nicht nur auf die menschliche Bevölkerung, sondern auch auf die Umwelt gravierend wirken können. Menschen können ohne eine intakte Umwelt nicht (über)leben – weder während eines Krieges noch danach. Daher sind völkerrechtlichen Regeln und Grundsätze entscheidend, um die Umwelt in diesen Situationen zu schützen und die negativen Auswirkungen des Krieges auf die Umwelt zu minimieren. Abseits der völkervertragsrechtlichen Regelungen im Friedensrecht galt die Frage nach dem spezifischen Schutz durch das humanitäre Völkerrecht als Mindeststandard.
Bevor es zu Frage nach dem humanitären Völkerrecht kam, warfen die beiden Referentinnen zunächst die Frage auf, wie die Umwelt faktisch und rechtliche zu definieren sei. Betrifft die Frage allein den Schutz der natürlichen Umwelt, Ökosysteme oder geht sie darüber hinaus? Ein erster Anhaltspunkt kann hier in Art. 35 (3) des ersten Zusatzprotokolls von 1977 zu den vier Genfer Konventionen aus 1949 gesehen werden. Hiernach ist es „verboten Methoden oder Mittel der Kriegführung zu verwenden, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie ausgedehnte, langanhaltende und schwere Schäden der natürlichen Umwelt verursachen“.
Um die Frage differenzierter zu beantworten, unterteilten die beiden Referentinnen ihre Analyse jeweils in das Recht des Internationalen bewaffneten Konflikts und dem des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts. Der internationale bewaffnete Konflikt, also ein Konflikt zwischen zwei oder mehreren Staaten ist im Wesentlichen durch die 4 Genfer Konventionen von 1949, sowie dem ersten Zusatzprotokoll von 1977 geregelt. Weitaus weniger dicht geregelt ist, jedenfalls kodifiziert, der sog. nicht-internationale bewaffnete Konflikt. Hier stellen der Gemeinsame Art. 3 der vier Genfer Konventionen von 1949 sowie ihr zweites Zusatzprotokoll aus 1977 die wesentlichen vertraglichen Regelungen. Jeweils flankiert durch das Völkergewohnheitsrecht. Während das Recht des Internationalen bewaffneten Konfliktes bereits einige wenige explizite Regelungen zum Schutz der natürlichen Umwelt enthält, wie etwa in Art. 35 oder 56 ZP 1, so enthält das humanitäre Völkerrecht für nicht-internationale bewaffnete keine ausdrückliche Regelung, die die Umwelt in ihrer Gesamtheit als Schutzobjekt anerkennt. Diese Divergenz erläuterte Frau Anne Fock und kritisierte, dass der dennoch bestehende Schutz lückenhaft sei und nicht einer notwendigen grundsätzlichen Wertschätzung aller Umweltkomponenten entspräche.
Historisch eingeleitet wurde die Diskussion um die Schutzstandards am Beispiel des Einsatzes von „Agent Orange“ im Vietnamkrieg durch die US-Amerikanischen Streitkräfte. Dessen Auswirkungen noch heute nachhaltig spürbar sind. Mit Bezug auf die Gegenwart angewendet haben die beiden Referentinnen diese Schutzdivergenz auf das Fallbeispiel der Ukraine. Hier diskutierten Sie den Schutz bestimmter Fluss und Wassergebiete sowie die Auswirkungen der Kriegsführung hieraus sowie die Frage des Schutzes Schutz von Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten iSd Art. 56 ZP 1 wie etwa Staudämme und Atomkraftwerke. Ebenfalls Gegenstand der Diskussion war die Frage Auswirkungen von Kampfhandlungen in Industriegebieten auf die Umwelt.
Trotz des noch ausbaufähigen rechtlichen Rahmens wiesen die Referentinnen auf die Bedeutung der Zivilgesellschaft und NGOs sowie die freiwillige Übernahme zusätzlicher Schutzstandards, etwa durch die Integration menschenrechtlicher Verpflichtungen durch Staaten aus Ausgangspunkt für einen effektiven Schutz der Umwelt in bewaffneten Konflikten.
Großer Dank geht, neben dem Deutsche Rote Kreuz-Region Hannover e.V. für die Realisierung des Projekts, an das gesamte Team der Juristischen Fakultät, sowie dem Team vom Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann, LL.M. für die organisatorische Unterstützung und an die Vielzahl der Teilnehmer:innen für die anregenden Diskussionen. Die Organisator:innen freuen sich über die gute Annahme der Gespräche.
Verfasst von Vincent Widdig.
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