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Newsletterausgabe #3 vom 15. Juni 2020

Hallo und herzlich willkommen zur nächsten Ausgabe unseres Newsletters! Diesmal freuen wir uns über ein Editorial von Herrn Prof. Dr. Christian Wolf. Wie gewohnt finden Sie im Anschluss die Neuigkeiten der vergangenen 14 Tage, Berichte über vergangene Ereignisse, einige Veranstaltungstermine sowie einen kleinen Überblick über aktuelle Rechtsprechung. Wir freuen uns über das Interesse an unserem Newsletter und wünschen eine gewinnbringende Lektüre. Falls Sie den Newsletter noch nicht abonniert haben, können Sie das hier nachholen.— Das Web-Team der Juristischen Fakultät Hannover

Res publica

Liebe Studierende,
liebe Mitglieder der Fakultät,

der an der Universität Groningen lehrende Literatur- und Medienwissenschaftler Christian Kirchmeier hat in der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift „Generation unsichtbar“ das Verhalten der Studierenden, bei Online-Vorlesungen Kamera und Mikrophon automatisch auszuschalten, beschrieben. Während der Vorlesung sind die allerwenigsten bereit, Kamera und Mikrophon wieder einzuschalten. Eine Erfahrung, die wohl die meisten Lehrenden teilen, die dieser Tage mit ihrem Laptop als Dozenten Selbstgespräche führen.

Wir erleben – allerdings bereits seit geraumer Zeit – eine merkwürdige Verschiebung des Privaten und der res publica. In der Vorlesung bleibt die Kamera aus, in Online-Besprechungen werden anonym Fragen gestellt, mit der Matrikelnummer werden Haus- und Studienarbeiten unterschrieben. Datenschutz und Antidiskriminierung konform wären Bewerbungsgespräche wohl nur dann, wenn man den Bewerber oder die Bewerberin nicht sehen könnte und die Stimme verzerrt wäre. Einerseits.

Anderseits posten wir auf diversen Social-Media-Plattformen was das Zeug hält. Auf Instagram das Foto der letzten Spaghetti Carbonara, den Sundowner am Maschsee, das Lindener Spezial beim Limmern, den neuesten Asics Gel-Nimbus 22. Unsere Liebe zur Selbstoptimierung, möglichst synchron gepostet: 4,5 km durch die Eilenriede (mit Online-Beifall bei 3 km), 25 km mit dem Rennrad nach Barsinghausen oder für ältere Semester eine 9 Loch Golfrunde mit 4 Doppelbogey (ziemlich schlecht). Für die wahren Exhibitionisten alles, was die Fitnesswatch so hergibt: Fibrillation Body Fat Rate, Herzfrequenz, Schlafrhythmus etc., am besten mit einem SocialHub bei Instagram, Facebook und Twitter gleichzeitig. In den Social-Media-Netzen werden irgendwelche Glitzerschuhe von Zalando geliked, als seien sie ein Dritte-Welt-Laden in der List.

Unser Koordinatensystem hat sich verschoben. Von Gadamer wissen wir, dass die Aneignung eines Textes nie nur objektiv erfolgen kann, sondern immer auch eine eigene produktive Tätigkeit des Lesers ist. Texte – auch juristische – verstehen sich nicht einfach so. Oder anders ausgedrückt, die Interpretation eines Textes lässt sich nicht vollständig von der Person des Interpreten trennen. Zwar sind wir an die im Text festgeschriebenen Ziele und Wertungen gebunden, dort aber, wo der Gesetzestext nicht mehr eindeutig interpretierbar ist, tritt zwangsläufig die eigene (rechtspolitische) Wertung ein. In diesem Sinne fordert Rechtswissenschaft einen persönlich. Es kommt auf die jeweilige Persönlichkeit an, die für die res publica Verantwortung übernehmen muss, die sich nicht in einer Anonymität verstecken kann.

Jura zu studieren heißt, sich dieser Verantwortung bewusst zu werden und sie einzuüben. Dabei geht es nicht darum, für seine Meinung zur Rechenschaft gezogen zu werden, denn dies würde voraussetzen, dass der-/ diejenige, welche jemand zur Rechenschaft ziehen will, nicht den gleichen Erkenntnisrestriktionen unterliegt. Wichtig ist aber, sich der Verantwortung bewusst zu sein und sich nicht mit einer Scheinzwangsläufigkeit des Ergebnisses zu entlasten, wo die juristische Entscheidung ein Stück Dezisionismus enthalten muss. Eingehegt werden kann dies nur durch Öffentlichkeit, also im wörtlichen Sinne durch res publica.

Deshalb müssen wir erwachsen miteinander umgehen, in Vorlesungen und Seminaren offen miteinander diskutieren, uns ernst nehmen, mit Respekt und offenem Visier. Auch in den schwierigen Zeiten sollten Universitäten ein Raum offener Diskussion sein, wo nur das bessere Argument zählt.

Hingegen sollten wir überlegen, ob die Social-Media wirklich der Ort ist, wo man privat quatschen sollte und kann. Denn Google, Amazon und Facebook tracken uns weitaus stärker als es uns lieb ist und einer offenen Gesellschaft entsprechend sein kann. Uns stört nicht, dass uns Google Maps noch Monate sagen kann, wann wir wohin mit dem Auto, Zug dem Flugzeug oder zu Fuß gegangen sind, in welchem Restaurant wir uns wie lange aufgehalten haben, wo wir übernachtet haben und in welchem Geschäft wir wann waren. Naiv wäre anzunehmen, dies diene uns nur als Gedächtnisunterstützung und werde nicht als Nudging für bestimmte Produkte betrieben. Gleichzeitig legen wir die Datenschutzbestimmungen der Corona App der Bundesregierung auf die Goldwaage. Wir müssen die Grenze zwischen dem Privaten und der res publica wieder re-justieren. In den Online-Vorlesungen die Kamera anzumachen und ein Feedback zu geben, ist jedenfalls weitaus angemessener, als alle möglichen Selbstoptimierungsversuche zu teilen und uns von den Digitalmonopolisten Google, Apple, Facebook und Amazon (Akronym: GAFA) für ihre Zwecke missbrauchen zu lassen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche.
Wir sehen uns (hoffentlich) online.

Ihr Christian Wolf

 

Hinweis zu dem zitierten Gadamer: Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode, Grundzüge einer Philosophischen Hermeneutik, Tübingen 1990 und hierzu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 9. Auflg., 2016, Rn. 156 ff.

 


Neuigkeiten

Bewerbungen für das Studium der Rechtswissenschaften in Hannover bis zum 15. Juli möglich

Ab sofort ist die Bewerbungsphase für das Studium der Rechtswissenschaften sowie alle weiteren Studiengänge der Juristischen Fakultät an der Leibniz Universität Hannover eröffnet! Weiterlesen...

Einladung zur Teilnahme an Studie zur Digitalisierung in der juristischen Ausbildung

In diesem Jahr findet zum zweiten Mal eine deutschlandweite Studie zur Digitalisierung in der juristischen Ausbildung statt: Die Digital Study verfolgt das Ziel, die digitale Transformation der juristischen Ausbildung als Informationsmedium, Gradmesser und Impulsgeber kontinuierlich zu begleiten. Diesmal stehen insbesondere die Einflüsse der Corona-Krise hinsichtlich der Ausbildungsmethoden im Fokus. Weiterlesen...

Haftung von Großkanzleien bei Berufsrechtsverstößen: Prof. Dr. Wolf im Streitgespräch mit Kanzleipartner bei JUVE Rechtsmarkt

Da die traditionelle anwaltliche Berufs­aufsicht mit Großkanzleien überfordert sei, sollte bei schweren Verstößen nicht nur der einzelne Anwalt bestraft werden können, sondern auch seine Kanzlei. Mit diesen Thesen verschreckt Prof. Dr. Christian Wolf viele Praktiker. In der aktuellen Ausgabe von "JUVE Rechtsmarkt" hat Professor Wolf ein Streitgespräch mit Professor Uwer geführt. Einen Ausschnitt des Gesprächs finden Sie hier.

Weitere Neuigkeiten

Weitere Neuigkeiten an der Juristischen Fakultät Hannover finden Sie hier.

 


Rückblick

Justizministerin zeichnet Niedersachsens beste Nachwuchsjuristinnen und -juristen aus

Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza hat am 21. Februar 2020 den jeweils zehn landesbesten Absolventinnen und Absolventen der ersten und der zweiten juristischen Staatsprüfung im Rahmen einer Feierstunde im Justizministerium persönlich gratuliert. Unter den besten zehn Absolventinnen und Absolventen finden sich auch vier Studierende unserer Fakultät. Weiterlesen...

Rückblick auf JurPerspective mit Bundesverfassungsrichterin Susanne Baer

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe JurPerspective des studentischen Vereins InterAct Law e.V. war Frau Prof. Dr. Dr. h. c. Susanne Baer, LL.M. (Michigan) am 20. Januar 2020 zu Gast auf dem Conti-Campus. Dabei gab sie einen Einblick in ihren Werdegang und sprach über ihre Beweggründe, Jura und Politikwissenschaften zu studieren. Weiterlesen...

 


Anstehende Veranstaltungen

  • Dienstag, 16.06.2020 | 16.00 - 18.00 Uhr
    Wer wird behandelt, wenn in Zeiten von COVID-19 medizinische Kapazitäten knapp sind? 
    Online Podiumsdiskussion mit Frau Prof. Dr Beck veranstaltet von der VolkswagenStiftung 

Einen Überblick über alle anstehenden Veranstaltungen finden Sie hier

 


Aktuelle Rechtsprechung

Zur Vorbereitung auf das Examen bietet die Juristische Fakultät mit JurOnlineRep eine Datenbank zur Übersicht über die aktuellste Rechtsprechung mit Examensrelevanz.

Ein paar der jüngsten Entscheidungen finden Sie im folgenden:

  • BGH, Urteil vom 28. Mai 2020 – I ZR 40/19
    AGB-Klausel, nach der sich ein Maklervertrag automatisch verlängert, wenn er nicht gekündigt wird, ist wirksam.

  • OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15. Mai 2020 2 AuslA 3/20
    Das Doppelbestrafungsverbot steht einer Auslieferung von EU-Ausländern an Drittstaaten entgegen, wenn deren Auslieferungsbegehren sich auf den Vorwurf einer Straftat stützt, für die die betroffene Person im EU-Ausland bereits rechtskräftig verurteilt wurde.

  • BGH, Beschluss vom 07. April 2020 – 6 StR 52/20
    Bereits das Angebot, käuflich zu sein, erfüllt den Tatbestand der Bestechlichkeit. 

  • OVG Münster, Beschluss vom 05. Juni 2020 - 13 B 776/20.NE
    Pauschale Anordnung einer vierzehntägigen häuslichen Quarantäne für Auslandsrückkehrer unzulässig. 

  • VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. April 2020 – 20 K 6392/18
    Prüflinge haben einen Anspruch auf kostenlose Kopien ihrer Examensklausuren aus datenschutzrechtlichem Auskunftsanspruch.

 


Kontakt

Bei Fragen und Anregungen rund um den Newsletter sowie den Web-Auftritt der Fakultät wenden Sie sich gerne an die Web-Redaktion unter folgender Mail Adresse: web-team@jura.uni-hannover.de

Sie empfangen den zweiwöchigen Newsletter
der Juristischen Fakultät an der
Leibniz Universität Hannover

Tel: +49 511 762 - 8104
Fax: +49 511 762 - 8107

www.jura.uni-hannover.de

Weitere Neuigkeiten an der Juristischen Fakultät:

www.jura.uni-hannover.de/de/news-veranstaltungen


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