Amtliche Leitsätze:
- Einem Gemeinderat steht ein organschaftliches Abwehrrecht gegenüber Äußerungen anderer Organe oder Organteile während einer Gemeinderatssitzung aus § 32 Abs. 3 GemO in Verbindung mit dem ungeschriebenen Grundsatz der Organtreue zu, wenn Äußerungen eines Gemeinderatsmitglieds ihm gegenüber den Tatbestand der groben Ungebühr nach § 36 Abs. 3 Satz 1 GemO erfüllen oder als Formalbeleidigung oder als Schmähkritik zu qualifizieren sind oder unsachliche Äußerungen gegenüber einem Gemeinderatsmitglied darstellen, die nicht zum Beratungsgegenstand gehören.
- Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Neutralitätspflicht eines Bürgermeisters im Verhältnis zu politischen Parteien und zum Sachlichkeitsgebot als allgemeiner Grenze der Äußerungsbefugnis bei öffentlichen Äußerungen eines kommunalen Amtsträgers in amtlicher Eigenschaft ist auf Redebeiträge eines Bürgermeisters in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung, die nicht in Wahrnehmung seiner Leitungsfunktion getätigt werden, nicht anwendbar.
- Zur Abgrenzung zwischen einer Tätigkeit eines Bürgermeisters im Rahmen seiner Leitungsfunktion und einer politischen Teilnahme am Meinungskampf kommt es auf die konkreten Umstände der streitgegenständlichen Äußerung an.
- Maßgeblich sind dabei - aus Sicht eines verständigen Bürgers - der konkrete Inhalt der Aussage und ihr Gesamtkontext. Zu berücksichtigen sind u.a. der äußere Rahmen der Aussage, eine etwaige Inanspruchnahme der Autorität des Amts und der Einsatz von mit dem Amt verbundenen Ressourcen. Nur wenn nach außen hinreichend deutlich erkennbar ist, dass der Bürgermeister bei einer Äußerung nicht in Wahrnehmung seiner Leitungskompetenz im Gemeinderat handelte, liegt eine davon zu unterscheidende Stellungnahme im politischen Meinungskampf vor.
- Bei Redebeiträgen eines Bürgermeisters in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung, die nicht in Wahrnehmung seiner Leitungsfunktion getätigt werden, unterliegt dieser den für alle Gemeinderatsmitglieder geltenden Einschränkungen.