BVerfG, Beschluss vom 18.11.2020 – 2 BvR 477/17

Kein Entschädigungsanspruch wegen völkerrechtswidriger Handlungen deutscher Soldaten.

Leitsätze der Redaktion:

1. Menschenrechtliche Gewährleistungen des Völkerrechts haben genuin individualschützenden Charakter. Allerdings stehen sekundärrechtliche Ansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenüber fremden Staatsangehörigen grundsätzlich nur dem Heimatstaat des Geschädigten als originärem Völkerrechtssubjekt zu. Insoweit reichen die Individualrechte weiter als ihre Absicherung durch Sekundäransprüche.

2. Es besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach welcher dem Einzelnen bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht auch Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung gegen den verantwortlichen Staat zustehen müssten.

3. Die auf Grundlage der §§ 74, 75 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten entwickelten Rechtsinstitute des enteignungsgleichen Eingriffs und der Aufopferung finden auf Kriegsschäden keine Anwendung, weil sich aus der kriegerischen Besetzung eines anderen Staates oder aus vergleichbaren Handlungen ergebende Schäden nicht Folge regulärer Verwaltungstätigkeit sind, die allein beide Rechtsinstitute im Blick haben.

4. Art. 19 IV GG umfasst auch die effektive Geltendmachung und Durchsetzung von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen. Der Gesetzgeber kann daher Voraussetzungen und Umfang von Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüchen regeln, aber nicht über deren Existenz verügen.

5. Die deutsche Staatsgewalt ist grundsätzlich auch bei Handlungen im Ausland an die Grundrechte gebunden.

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