BGH, Urteil vom 03.03.2021 – XII ZR 92/19

Vollständigkeitsklauseln schließen mündliche Nebenabreden nicht aus.

Aus dem Urteil (Nummerierung nur hier):

1. [S]ogenannte Vollständigkeitsklauseln („Mündliche Nebenabreden bestehen nicht“, „Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen“, „Mündliche Nebenabreden existieren nicht“) richten sich – gleich ob sie als AGB in den Vertrag einbezogen oder individuell ausgehandelt sind – auf die Bestätigung der Tatsache, dass der schriftliche Vertrag alle zwischen den Parteien vereinbarten Regelungen bezüglich des Vertragsgegenstands enthält. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass solche Klauseln lediglich die ohnehin eingreifende Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der schriftlichen Vertragsurkunde wiedergeben, jedoch dem Vertragspartner, der sich auf eine abweichende mündliche Vereinbarung berufen will, die Führung des Gegenbeweises offenlassen.

2. Es ist eine davon zu unterscheidende Frage, ob bereits aus dem Umstand, dass die Parteien eine Vollständigkeitsklausel – sei es als Individualvereinbarung, sei es als AGB – in den schriftlichen Vertrag aufgenommen haben, auf einen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien geschlossen werden kann, mit Abschluss des schriftlichen Vertrags von bestimmten mündlichen Absprachen aus dem Stadium der vertragsanbahnenden Verhandlungen abrücken zu wollen. Auch für eine solche Würdigung wird aber in aller Regel kein Raum sein, weil die Vertragsparteien mit einer Vollständigkeitsklausel nur eine Tatsache bestätigen, aber nicht ihrem Willen Ausdruck verleihen wollen, vorvertraglichen Absprachen schlechthin die Wirksamkeit zu nehmen.

Urteil frei zugänglich