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Newsletterausgabe #23 vom 19. April 2021

Herzlich willkommen zur nächsten Ausgabe unseres Newsletters! Diesmal freuen wir uns über ein Editorial von Herrn Prof. Dr. Volker Wiese, LL.M. (McGill).

Im Folgenden finden Sie dann die Neuigkeiten der vergangenen zwei Wochen sowie einen neuen Beitrag der Interviewreihe "Studentenfutter Wegweiser". Zum Abschluss haben wir wieder einen Ausblick auf anstehende Veranstaltungen sowie eine kleine Auswahl aktueller, potentiell examensrelevanter Rechtsprechung zusammengestellt.

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— Das Web-Team der Juristischen Fakultät Hannover

Herausgabe entzogener Kunst und Kulturgüter

Liebe Studierende,
liebe Mitglieder der Fakultät,

im Februar 2021 entschied der Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika, dass die Erben eines jüdischen Kunsthändlers, dem im Jahr 1935 vom preußischen Staat – möglicherweise unter menschenrechtswidrigem Druck erpresserisch – einige Stücke des so genannten Welfenschatzes abgekauft worden waren, vor den US-amerikanischen Gerichten nicht auf Herausgabe dieser Stücke des Welfenschatzes klagen können. Dem stehe nämlich die Immunität Deutschlands entgegen, dessen „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ im Besitz der Welfenschatz-Stücke ist.

Nichts anderes ergebe sich im Übrigen aus dem Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA), nach dem ausländische Staaten und ihre Einrichtungen in den USA verklagt werden können, wenn „rights in property taken in violation of international law“ den Gegenstand der Klage bilden. Denn diese Ausnahme beziehe sich nur auf Enteignungsmaßnahmen eines Staates gegenüber ausländischen Staatsangehörigen (Internationales Enteignungsrecht), nicht jedoch auf Maßnahmen gegenüber den eigenen Staatsangehörigen, wie es der jüdische Kunsthändler 1935 war. US-amerikanische Gerichte seien daher für derartige Herausgabeklagen nicht zuständig; siehe Federal Republic of Germany v. Philipp, 592 U.S. ___ (2021); ferner "Was ist der Welfenschatz?" auf preussischer-kulturbesitz.de.

Auf besonderes Interesse stößt dieses Verfahren gleich aus mehrfachen Gründen: Es ist aus völkerrechtlicher Sicht illustrativ, welche Bedeutung dem Internationalen Enteignungsrecht und der Staatenimmunität zukommt. Letzteres ist auch relevant im Zusammenhang mit Fragen des Internationalen Zivilverfahrensrechts, weil auch in Deutschland der Grundsatz gilt, dass Gerichten gegenüber immunen ausländischen Staaten die so genannte Gerichtsbarkeit fehlt.

Rechtsvergleichend sind die Besonderheiten des US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts bedeutsam. Denn der amerikanische Supreme Court hat in diesem Verfahren letztlich Vorschriften des amerikanischen FSIA ausgelegt. Man kann auch vergleichend danach fragen, wie in solchen Fällen deutsche Gerichte ihre Zuständigkeit nach deutschem Recht beurteilen würden. Und man kann auch danach fragen, warum die Erben des Kunsthändlers überhaupt auf die Idee verfallen sind, in den Vereinigten Staaten von Amerika Klage zu erheben.

Letzteres erklärt sich aus dem kunstrechtlichen Zusammenhang, in dem Verfahren um die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kunst stehen. Vorausgegangen war der Klage in den USA nämlich ein von den Erben initiiertes Restitutionsverfahren vor der deutschen „Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz“ (sog. Limbach-Kommission), deren Aufgabe es ist, „faire und gerechte Lösungen“ im Zusammenhang mit der Restitution von NS-Raubkunst zu finden. Im Jahr 2014 war diese Kommission freilich zu der Auffassung gelangt, bei den Welfenschatz-Stücken handle es sich nicht um Raubkunst, da der Verkauf dieser Stücke im Jahr 1935 an den preußischen Staat ohne Druck, also gleichsam den üblichen Marktbedingungen der damaligen Zeit entsprechend, geschehen sei. Letzteres wollten die Erben des Kunsthändlers nicht gelten lassen. Deswegen hatten sie im Nachgang zum deutschen Verfahren die US-amerikanischen Gerichte angerufen.

Hätte der Supreme Court die Klage vor den US-amerikanischen Gerichten zugelassen, hätten diese überdies nach den Regeln des Internationalen Privatrechts bestimmen müssen, nach welchem Recht sich Eigentumsverhältnisse an den Welfenschatz-Stücken sowie das Herausgabebegehren nebst Fragen der Verjährung überhaupt richten. Nachdem der Welfenschatz nun mal in Deutschland belegen ist, liegt es nahe, dass hierfür deutsches Recht gilt.

Doch ist nach deutschem Recht eine Vindikation der Erben im Jahr 2021 nicht längst verjährt, selbst wenn man unterstellt, die Veräußerung der Welfenschatz-Stücke im Jahr 1935 an den preußischen Staat müsse wegen menschenrechtswidrigen und NS-verfolgungsbedingten Druckverkaufs entsprechend § 138 BGB grundsätzlich als nichtig angesehen werden? Würden US-amerikanische Gerichte einen solchen Verjährungseinwand überhaupt ernst nehmen? Oder würden amerikanische Gerichte nicht den Erwägungen in der englischen Entscheidung Gotha City v Sotheby's (abgedruckt mit Übersetzung bei Carl/Güttler/Siehr, Kunstdiebstahl vor Gericht, S. 78) folgen, nach dem ein Ordre-public-Vorbehalt verhindern müsse, dass eine Verjährungsfrist für den dinglichen Herausgabeanspruch wirke „in favour of the thief ... [or] in favour of any transferee who is not a purchaser in good faith“?

Ähnliche Klagen auf Herausgabe von illegal verbrachten Kunstwerken und Kulturgütern beschäftigen in- und ausländische Gerichte durchaus in regelmäßigen Abständen. Berühmt sind zB die Herausgabeverfahren um ein silbernes Ziborium, einer res extra commercium, des spanischen Duc de Frias vor französischen Gerichten (Trib.civ. de la Seine, 17.4.1885 (Duc de Frias c. baron Pichon), 13 Clunet 593 (1886)) oder die Klage des französischen Staats auf Herausgabe zweier Wandteppiche, ebenfalls res extra commercium, vor italienischen Gerichten (Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini, Trib. Roma 27.6.1987, 71 Riv.dir.int.1988, 92). Amerikanische Gerichte hatten in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts mit den Herausgabeverlangen der Großherzogin von Sachsen-Weimar, der Bundesrepublik Deutschland sowie der Kunstsammlungen zu Weimar in der ehemaligen DDR zu tun, die sämtlich zwei Gemälde von Dürer betrafen, welche 1945 in Deutschland gestohlen und 1946 in New York von dem Rechtsanwalt Elicofon erworben worden waren (Kunstsammlungen Zu Weimar v. Elicofon, 536 F.Supp. 829 (E.D.N.Y. June 15, 1981)). Erwähnt werden können auch die diversen Verfahren um den Verbleib illegal exportierten Kulturguts, insbesondere archäologischer Fundstücke aus Mexiko, Kolumbien und Guatemala, die deutsche Gerichte bereits beschäftigt haben (VGH München v. 16.07.2010 - 7 CE 10.1097; v. 16.04.2010 ­ 7 CE 10.354; v. 13.04.2010 ­ 7 CE 10.258).

Ich hoffe jedenfalls, mit diesen Fällen Ihre Aufmerksamkeit erweckt zu haben für grenzüberschreitende Sachverhalte, die Fälle des Kunst- und Kulturgutschutzrechts und den Blick über den Tellerrand in ausländische Rechtsordnungen. All diese Fragen sind übrigens vertieft auch Gegenstand des Schwerpunktbereichs 5. So sind die Fragen des Internationalen Privatrechts und speziell auch die des Internationalen Sachenrechts Gegenstand der jetzt im Sommersemester von mir angebotenen Vorlesung IPR II (Recht des internationalen Handels). Für das bevorstehende Sommersemester wünsche ich allen viel Freude und ein gutes Gelingen.

Herzliche Grüße,

Ihr
Volker Wiese

 


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Anstehende Veranstaltungen

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Aktuelle Rechtsprechung

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