Der VFS Hannover – Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover – wird im Laufe des nächsten Jahres in Hannover Deutschlands erste Tax Law Clinic starten.
Wer ist der VFS Hannover?
Der VFS Hannover e.V. ist ein im Jahr 2015 gegründeter Verein mit mittlerweile über 300 Mitgliedern aus Anwaltschaft, Justiz, Verwaltung, Unternehmen und Studierendenschaft. Er hat das Ziel, das Steuerrecht am Standort Hannover und insbesondere im juristischen Studium an der Leibniz Universität zu fördern. Das Steuerrecht ist in der Praxis von erheblicher wirtschaftlicher und politischer Bedeutung, wird aber im Jura-Studium seit jeher mehr als stiefmütterlich behandelt. Der VFS Hannover versucht deshalb, den Studierenden insbesondere der juristischen, aber auch der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät die Bedeutsamkeit und den Spaßfaktor dieses Rechtsgebiets nahe zu bringen und ihnen zumindest ein Grundwissen zu vermitteln. Zu diesem Zweck organisiert er – unter normalen Umständen außerhalb der Corona-Beschränkungen – u.a. Studienfahrten nach Berlin und München, Crashkurse, Symposien, Vorträge sowie Kanzlei- und Unternehmensbesuche. Und er bemüht sich darum, dass Hannover bei dem alle zwei Jahre stattfindenden Steuerrechts-Moot Court des Bundesfinanzhofs vertreten ist und wieder ein so großartiges Ergebnis zu erzielen wie beim letzten Durchgang 2019, bei dem das Team Hannover den zweiten Platz erreicht hat.
Was ist die Tax Law Clinic und warum gibt es sie noch nicht?
Neben diesen zahlreichen Aktivitäten plant der VFS Hannover seit seiner Gründung plant außerdem an der Leibniz Universität Hannover die Einführung von Deutschlands erster Tax Law Clinic, also einer unentgeltlichen Steuerrechtsberatung, die von Studierenden für Studierende unter Anleitung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten durchgeführt wird.
Eine solche unentgeltliche Rechtsberatung ist auf dem Gebiet des Steuerrechts – anders als auf allen anderen Rechtsgebieten - nach dem Wortlaut des § 5 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) allerdings nach dem derzeitigen Verständnis unzulässig und stellt danach eine Ordnungswidrigkeit dar. Der Wortlaut des Verbots ist jedoch identisch mit einem für alle anderen Rechtsgebiete geltenden Verbot im früheren Rechtsberatungsgesetz (RBerG), das vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahr 2004 als verfassungswidrig angesehen und daher vom Gesetzgeber in der Folge abgeschafft wurde. Seither sind unentgeltliche studentische Beratungen – außerhalb des Steuerrechts – durch das Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubt und an den deutschen Universitäten auch im Rahmen von Law Clinics verbreitet. So gibt es in Hannover die bekannte Legal Clinic und die Refugee Law Clinic. Der VFS Hannover ist daher der Auffassung, dass das weiterhin bestehende Verbot einer unentgeltlichen Beratung auf dem Gebiet des Steuerrechts in seiner derzeitigen Anwendung ebenfalls verfassungswidrig ist.
Was hat der VFS Hannover bisher unternommen?
Der VFS Hannover hat versucht, die Zulässigkeit der Tax Law Clinic gerichtlich klären zu lassen. Eine solche vorherige Klärung wurde dem VFS Hannover durch die Finanzgerichte jedoch verwehrt. Eine entsprechende vorbeugende Feststellungsklage hat das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 5. März 2019 (6 K 298/18) als unzulässig abgewiesen. Mit Beschluss vom 30. September 2020 (VII B 96/19) hat der Bundesfinanzhof diese Entscheidung nunmehr bestätigt und entschieden, dass die Durchführung einer unentgeltlichen Steuerrechtsberatung trotz eines möglicherweise drohenden Bußgeldes zumutbar ist und gerichtliche Schritte erst gegen anschließende repressive Maßnahmen der Finanzverwaltung erfolgen können. Dazu führt der BFH aus, die bisher erfolgten Hinweise des Finanzamts auf die Möglichkeiten einer Zurückweisung als Bevollmächtigter im Verwaltungsverfahren oder eines Bußgeldverfahrens enthielten keine Androhung. Das Finanzamt habe lediglich klargestellt, dass es sich um mögliche Konsequenzen handele und diesen regelmäßig eine Belehrung oder ein entsprechender Hinweis vorausgehe.
Was passiert jetzt?
Bei seiner letzten Sitzung, die am 3. Dezember 2020 online unter Beteiligung von Vorstandsmitgliedern der Studentischen Vereinigung im VFS Hannover, der beiden Prozessbevollmächtigten in den finanzgerichtlichen Verfahren RA/FAStR Henning Schröder und RA/StB Jens Röhrbein (Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) sowie dem wissenschaftlichen Berater des Vereins Dr. Christian Deckenbrock von der Universität zu Köln stattgefunden hat, hat der Vorstand des VFS Hannover die Handlungsoptionen nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs besprochen.
Die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs wurden als gering eingeschätzt, zumal nicht absehbar ist, wann eine Entscheidung erfolgen wird, und auch im Fall eines Erfolges beim Bundesverfassungsgericht in der Sache nichts gewonnen wäre.
Der Vereinsvorstand sieht sich damit durch die beiden Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts und des Bundesfinanzhofs gehalten, den Start der Tax Law Clinic nunmehr zu veranlassen, ohne dass die Verfassungswidrigkeit ihres Verbotes im Vorfeld gerichtlich festgestellt werden konnte, da sich die Gerichte einer angestrebten Klärung dieser Frage verweigert haben.
Die Tax Law Clinic soll daher im Laufe des Jahres 2021 gestartet werden. Über Einzelheiten dazu werden wir zeitnah berichten.
Pressestimmen über die Pläne des VFS Hannover
- beck-aktuell am 04.12.2020
- Legal Tribune Online (LTO) am 09.12.2020
- "Ist das gerecht?"-Podcastfolge von detektor.fm vom 15.12.2020
Weitere Berichte und Hintergründe finden Sie hier.
Kontakt zum VFS Hannover
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