Der Vis Moot mal anders – oder: Ende gut, alles gut?
Der 27te Durchgang des Willem C. Vis Moot war vieles, doch bestimmt nicht gewöhnlich oder vorhersehbar. Bekanntlich besteht der Vis aus einer schriftlichen und einer mündlichen Phase, zu Beginn war uns jedoch noch nicht bewusst, was uns, besonders in der mündlichen Phase, alles erwarten würde.
Bevor wir jedoch auch nur daran denken konnten, einen Schriftsatz zu schreiben, mussten wir erst lernen, wie genau man bestmöglich vorgeht. Und wo könnte man das besser als in den Cologne Academies on International Commercial Arbitration and Mediation? Wir machten uns also mit dem befreundeten ICC-Team auf den Weg nach Köln und hatten nach einer Woche Arbitration School, zu deren Anfang man dann doch sehr ins kalte Wasser geworfen wurde, und einer stürmischen Rheinfahrt mit sintflutartigen Regenfällen, einen guten Überblick über das, was uns erwarten würde.
Nach weiteren Seminaren, in denen wir uns auch untereinander besser kennenlernen konnten, fühlten wir uns dann gut vorbereitet und waren ready, es mit der Schriftsatzphase aufzunehmen… Zugegeben, wir hatten leicht unterschätzt was uns erwarten würde – aber andererseits auch wie gut wir uns als Team verstehen und wie viel Spaß wir – selbst beim Arbeiten – haben würden. Sechs Leute mit einer Aufgabe für mehrere Monate in einen 3x4m Raum zu verweisen, klingt wie ein Rezept für Chaos, und hat dafür jedoch überraschend gut funktioniert. Die Schriftsatzphase ist ein enormer Arbeitsaufwand, der mit Frustration und Erfolgserlebnissen einhergeht. So wuchsen wir über den Zeitraum von vier Monaten nicht nur über uns hinaus, sondern auch zu einem engen Team zusammen, das sich bereit fühlte, sich jeder neuen Herausforderung des Vis Moots erhobenen Hauptes zu stellen – wir konnten ja noch nicht ahnen, was auf uns zu kommen würde.
Mit dem Ende der Schriftsatzphase und den All-Nightern im neunten Stock, stand dann auch schon die mündliche Phase auf der Matte. Sie startete mit unserem ersten offiziellen PreMoot in Amsterdam, auf den uns das Team des letzten Jahres begleitete und unterstützte. Mit unseren Pleadings im Gepäck machten wir uns also auf den Weg ins Nachbarland, nervös, aber doch in freudiger Erwartung auf das was kommt. Und diese Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
Wer hätte aber auch mit einer pompösen Kanzlei, getäfelt in Marmor gerechnet? Die Tage, geprägt durch lehrreiche Pleadings, haben wir dann zusammen mit den anderen Teams auf den Abendveranstaltungen ausklingen lassen. Doch noch während des ersten dieser Abende erreichte uns die Absage der mündlichen Verhandlungen aus Hong Kong. Und auch die Rückfahrt lief dann ganz im Motto dieses Vis-Durchgangs ab: Mit erheblichen Rückschlägen. Dank des Sturmtiefs Sabine durften wir noch eine Nacht in Hengelo, kurz vor der deutschen Grenze, verbringen.
Das nächste Highlight unserer Reise war dann schon der 14th Hannover PreMoot, bei dem wir als Gastgeber die anderen Teams zu uns einladen durften. Mit über 30 Teams aus zehn Nationen gehörte der Hanover PreMoot auch dieses Jahr wieder mit zu den größten Vorbereitungstreffen Europas. An diesem Punkt hatte sich die Lage um Covid-19 aber bereits drastisch verschärft, sodass wir letztendlich unter strengen Hygienemaßnahmen und unter Aufwendung von mindestens mehreren hundert Litern Desinfektionsmittel pleaden mussten. Nichtsdestotrotz haben wir unsere Abende dann dazu genutzt, auf unsere Pleadings anzustoßen und die anderen Teams noch besser kennenzulernen. Aber unser großes Ziel blieb bestehen: Wir wollten nach Wien.
Nachdem wir unsere rhetorischen Fähigkeiten mit Skype Pleadings mit Teams aus der ganzen Welt (die zu diesem Zeitpunkt noch die Ausnahme waren) und Probepleadings in Hamburger Kanzleien weiterhin täglich ausgebaut hatten, ging es dann auf zum nächsten PreMoot. Dafür machten wir uns mit dem Team auf den Weg nach Schottland, genauer gesagt nach Edinburgh, eigentlich um am dortigen PreMoot teilzunehmen. Vorweg: Die Zeit dort hat uns viel Freude bereitet und noch mehr zusammengeschweißt. Doch bei einem spannenden GNTM-Abend erreichte uns dann die traurige Nachricht, dass die Endrunden unseres Durchgangs aufgrund von Covid-19 online stattfinden würden. Und auch unsere Teilnahme am PreMoot mussten wir dank Covid-19 absagen. Wir haben das beste aus der Situation gemacht und können jetzt aber behaupten: Edinburgh ist schön.
Zurück in Deutschland hatten wir dann unsere letzten Live-Pleadings beim Vis Prep Day in Göttingen gegen die Teams aus Göttingen und Leipzig. Nachdem dann alle weiteren PreMoots ebenfalls abgesagt wurden, entschieden wir uns: “we rest our case“. Bekanntlich soll man ja aufhören, wenn es am schönsten ist. In dieser Zeit hat uns besonders der Rückhalt und der Zusammenhalt unseres Teams und unserer Coaches Alicia und Niels geholfen.
Auch wenn wir unsere hart erarbeiteten Verhandlungsfortschritte nicht im Wettbewerb zeigen konnten, blicken wir auf eine schöne und erfolgreiche Zeit als Team zurück. Insbesondere, da unsere Arbeit in der Schriftsatzphase mit dem dritten Platz für unser Claimant Memo und einer Honorable Mention für das Respondent Memo aus Hongkong belohnt wurde. Sogar ohne mündlich zu verhandeln konnten wir beweisen, dass wir mit den Unis aus aller Welt mithalten können.
Auch ohne die Reisen nach Hong Kong und Wien war es die beste Erfahrung unseres Studiums, die man in dieser Form sonst nirgendwo erleben kann. Wir sind stolz, unsere Leibniz Universität in diesem Jahr vertreten zu haben.
von Selina und Ophelia
Einige Eindrücke vom Vis Moot 2019/2020 finden Sie in der Bildergalerie.
Über den Willem C. Vis Moot
Der Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot (kurz: Willem C. Vis Moot oder Vis Moot) ist ein Moot-Court-Wettbewerb auf den Gebieten der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit und dem Wirtschaftsrecht, bei dem Studierende aus aller Welt die Rolle von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten einnehmen und in einer simulierten Gerichtsverhandlung Mandanten eines fiktiven Falles vertreten. Weitere Informationen finden Sie hier.
Bewerber gesucht!
Für den Vis Moot 2020/2021 werden wieder Bewerber gesucht. Die Bewerbung ist noch bis zum 28.06.2020 möglich. Weitere Informationen gibt es hier.