Der durch das Corona-Virus bedingte Lockdown hat in Deutschland und weltweit zu umfangreichen und teilweise noch andauernden Beschränkungen der Wirtschaft geführt. Verbände und Unternehmen verlangen daher neben Subventionen und Zuschüssen weitere Entlastungen. Gleichzeitig sind die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen im zweiten Quartal 2020 massiv eingebrochen. Zur Lösung dieser Problematik werden auf politischer und wissenschaftlicher Ebene diverse Vorschläge verfolgt und diskutiert. Anlässlich der aktuellen Entwicklungen hat der VFS Hannover (Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover e.V.) am 2. Juni 2020 sein erstes Online-Symposium zu den steuerpolitischen Folgen der Corona-Krise veranstaltet.
An dem Online-Symposium nahmen als Referenten und Diskutanten der Leiter der Steuerabteilung im Bundesministerium der Finanzen Dr. Rolf Möhlenbrock, Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön vom Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München sowie Dr. Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V. in Berlin teil. Souverän moderierte das Symposium erneut Prof. Dr. Joachim Jahn, Mitglied der Schriftleitung der NJW.
Der Vorsitzende des VFS Hannover Dr. Thomas Keß konnte pünktlich um 17 Uhr rund 150 Teilnehmer begrüßen, darunter zahlreiche Studierende der Leibniz Universität Hannover. Auch Teilnehmer aus Taiwan, der Türkei, Russland und Österreich folgten der Veranstaltung mit Interesse.
Zu Beginn erläuterte Dr. Möhlenbrock die steuerpolitischen Reaktionen des Gesetzgebers auf die Corona-Krise. Der Bundestag habe bereits am 27. Mai 2020 diverse steuerliche Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Folgen der Corona-Krise beschlossen (sog. Corona-Steuerhilfegesetz). Dabei sei dem Gesetzgeber wichtig gewesen, diverse Steuerungsinstrumente mit unterschiedlichen Zielrichtungen einzusetzen. Das Corona-Steuerhilfegesetz (BT-Drs. 19/19379) sieht insbesondere Änderungen im Umsatzsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz sowie im Einkommensteuergesetz vor. So soll der Umsatzsteuersatz für erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen befristet bis zum 30. Juni 2021 vom Regelsteuersatz auf den ermäßigten Steuersatz gesenkt werden. Ferner sollen Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld für die Lohnzahlungszeiträume vom 1. März 2020 bis zum 31. Dezember 2020 teilweise steuerfrei gestellt werden. Im Umwandlungssteuerrecht soll der steuerliche Rückwirkungszeitraum nach § 9 Satz 3 und § 20 Absatz 6 Satz 1 und 3 UmwStG von acht auf zwölf Monate verlängert werden.
Dr. Möhlenbrock führte weiter aus, dass das BMF derzeit neben den bereits beschlossenen Hilfsmaßnahmen an weiteren Erleichterungen für die Steuerpflichtigen arbeite. Einerseits prüfe das BMF derzeit den Vorschlag der EU-Kommission, die Meldezeitpunkte für die Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen nach der DAC6-Richtlinie um drei Monate zu verschieben. Außerdem sei eine Verlängerung der Reinvestitionsfrist für Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG in Planung. Dies solle jedoch nur für die in 2017 gebildeten Investitionsabzugsbeträge gelten.
Neben den Steuererleichterungen zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise arbeite das BMF derzeit auch an weiteren Gesetzesentwürfen, so Dr. Möhlenbrock. Das BMF beschäftige sich zum einen mit einem Entwurf des ATAD-Umsetzungsgesetzes. Dieses sehe Änderungen im Außensteuergesetz bei der Wegzugs- und Hinzurechnungsbesteuerung sowie im Einkommensteuergesetz in Bezug auf hybride Steuergestaltungen vor. Zum anderen werde weiter am Körperschaftsteuer-Modernisierungsgesetz (KöMoG) gearbeitet. Durch dieses soll unter anderem Personengesellschaften die Möglichkeit eingeräumt werden auf Antrag zur Körperschaftsteuer zu optieren (sog. Optionsmodell). Außerdem sei mit dem Gesetz auch eine Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts für Körperschaften geplant, wonach Verschmelzungs- und Spaltungsvorgänge weltweit möglich sein sollen.
Daneben seien weitere sonstige Maßnahmen in einem Konjunkturpaket vorgesehen, so Dr. Möhlen-brock. Dazu zählen beispielsweise die Verlängerung der Möglichkeit von Kurzarbeit auf 24 Monate, die Fortführung von Soforthilfen für bestimmte Branchen wie Restaurants, Bars und Hotels, die Verlängerung der bisherigen steuerlichen Hilfsmaßnahmen (insbesondere Stundungen), die Verbesserung des Verlustrücktrags nach § 10d EStG (mehrere Jahre, höherer Höchstbetrag), die Erweiterung des § 34a EStG, die Einführung einer degressiven Abschreibung für Abnutzung für bewegliche Wirtschaftsgüter sowie die Anhebung der GWG-Grenze auf 1.000 Euro. Steuersenkungen seien von der Bundesregierung hingegen bislang ausgeschlossen worden. Das Konjunkturpaket wurde am 12. Juni 2020 im Bundeskabinett beschlossen.
In seiner anschließenden Keynote sprach sich Prof. Dr. Dr. h.c. Schön in Anbetracht der Corona-Krise für eine weitergehende Berücksichtigung von Verlusten in Anlehnung an die von Milton Friedman entwickelte Theorie der negativen Einkommensteuer aus. Nach seinem Modell sollen Verluste nicht bloß zu einer Herabsetzung der Steuer führen. Der Steuerpflichtige solle vielmehr im Verlustfall eine Auszahlung vom Staat proportional zur Höhe seiner Verluste erhalten (sog. negative Einkommensteuer). Auf diese Weise erhielten notleidende Unternehmen auf schnelle Weise Liquidität, um die Krise zu überstehen. Mindestens müssten seiner Ansicht nach aber die entstandenen Verluste durch Rück- und Vorträge unbeschränkt berücksichtigungsfähig sein. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine vollständige Berücksichtigung von Verlusten der Systematik des Steuerrechts entspräche. Subventionen und Zuschüsse seien diesem dagegen fremd. Auch sei die bisherige Regelung eines zeitlich und betragsmäßig beschränkten Verlustrücktrags schon immer viel zu knapp bemessen worden. Der Verlustrücktrag in seiner aktuellen Fassung helfe den Unternehmen momentan nur sehr begrenzt. Der Verlustvortrag, der durch seine höhenmäßige Beschränkung ebenfalls eine Mindestbesteuerung vorsehe, entfalte seine Wirkungen zudem erst mittel- bis langfristig. Schließlich kritisierte er auch die geltenden Regelungen zur Steuerbefreiung von Sanierungserträgen nach § 3a EStG, die seiner Ansicht nach nicht ausreichend und viel zu kompliziert seien.
Dr. Bach schlug in seiner Keynote vor, die Corona-Krise durch einen befristeten „Corona-Solidaritätszuschlag“ auf die Einkommensteuer und eine einmalige „Corona-Vermögensabgabe“ zu finanzieren. Nach seinem Modell sollten Sonderabgaben von Personen mit hohem Einkommen bzw. größeren Vermögen für einen klar befristeten Zeitraum geleistet werden. Durch eine Verrechnung der beiden „Corona-Abgaben“ könnten Doppelbelastungen schließlich abgemildert werden. Befristete oder einmalige Maßnahmen hätten den Vorteil, dass diese nur eine kurze bzw. einmalige administrative Mehrbelastung mit sich brächten. Die von ihm vorgeschlagenen Sondermaßnahmen führten zudem zu einem gerechten Lastenausgleich und entsprächen daher der sozialen Gerechtigkeit. Es sei seiner Ansicht nach auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sinnvoll die durch die Corona-Krise bedingte Neuverschuldung über einen längeren Zeitraum wieder abzubauen. Dies sähe auch die von Bund und Ländern nach der Finanzkrise eingeführte Schuldenbremse in Art. 109 Abs.3 GG vor.
Im anschließenden von Prof. Dr. Jahn moderierten Austausch wurden die einzelnen Ansatzpunkte unter Einbeziehung des Publikums nochmals lebhaft diskutiert. Gegenstand der Diskussion war dabei insbesondere das von Prof. Dr. Dr. h.c. Schön vorgestellte Modell einer vollständigen Verlustberücksichtigung – beispielsweise im Rahmen des § 10d EStG. Dr. Möhlenbrock wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dabei von geschätzten Verlusten in Höhe von 600 Mrd. Euro auszugehen sei. Unbeschränkte Verlustrückträge würden aufgrund dessen zu instabilen Haushaltslagen führen. Subventionsvergaben hätten hingegen den Vorteil, dass sie einfacher umsetzbar seien und dem Staat insoweit Planungssicherheit gäben. Ein Systemwechsel seitens des Gesetzgebers sei vor diesem Hintergrund seiner Ansicht nach nicht zu erwarten.
Das Online-Symposium gewährte den Teilnehmern einen guten Überblick auf die bereits erfolgten und unmittelbar bevorstehenden Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise. Außerdem lieferte es einen Erkenntnisgewinn, welche weiteren Erleichterungen, etwa in Form einer weitergehenden Verlustberücksichtigung, in Zukunft noch gewährt werden könnten. Mit einem „Corona-Solidaritätszuschlag“ und einer „Corona-Vermögensabgabe“ wurden hingegen Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine Finanzierung der gewährten Hilfeleistungen erfolgen könnte.
Verfasst von Assessorin Dipl.-Finanzwirtin (Steuerakademie) Carina Teuber und Dipl.-Finanzwirt (Steuerakademie) Marco Niebuhr.
Weitere Informationen
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