Die Juristische Fakultät der Leibniz Universität Hannover freut sich, dass Prof. Dr. Jochen Rauber bereits Anfang August 2024 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit einem internationalen Schwerpunkt übernommen hat.
Für alle, die noch keine Gelegenheit hatten, ihn kennenzulernen oder in der Vorlesung zu erleben, haben wir Herrn Rauber interviewt:
Möchten Sie etwas Persönliches über sich preisgeben? Alter? Familienstand? Hobbies?
Gerne. Ich bin 40 Jahre alt, verheiratet, habe zwei wunderbare Töchter im Kindergartenalter und wenn mal Zeit bleibt, entstaube ich meine Gitarre und hoffe darauf, dass mir noch etwas anderes einfällt als Kinderlieder.
Wo haben Sie studiert und was hat Sie dazu bewegt, ein Jura-Studium anzufangen?
Mit Ausnahme eines Auslandsjahrs in Dublin habe ich meine gesamte Studienzeit in Tübingen verbracht. Warum es mich dort ausgerechnet zum Jura-Studium verschlagen hat, kann ich heute gar nicht mehr so genau nachvollziehen. Was mich aber glaube ich schon immer interessiert hat, war, wie gesellschaftliches Zusammenleben eigentlich funktioniert und wie Staat und Recht das organisieren. Die Studienberatung jedenfalls hat mir seinerzeit zur Soziologie geraten. Darunter konnte ich mir aber offen gesagt überhaupt nichts vorstellen. Stattdessen habe ich mit Politikwissenschaft und Philosophie sympathisiert, doch war mir zu unklar, wo das beruflich hinführen sollte. So landete ich letztlich bei Jura. Das hatte den Reiz, dass ich mich mit den Themen befassen konnte, die mich interessierten und trotzdem eine recht klare berufliche Perspektive hatte. Und dass das in Schwaben, wo ich aufgewachsen bin, für Anerkennung sorgte, weil man damit „ebbes rechts“ lernt, mag auch ein Aspekt gewesen sein.
Sie haben zusätzlich zu dem Studium der Rechtswissenschaften ein Studium der Philosophie abgeschlossen. Wie kam es zu dieser zusätzlichen Studienwahl?
Philosophie war für mich ein wenig der Ausgleich dafür, dass ich mich mit Jura letztlich für ein „Brotfach“ entschieden hatte. Die grundsätzlicheren Themen, die mich am Recht eigentlich interessiert haben, werden im Studium dann ja doch recht schnell überlagert von sehr konkreten Rechtsproblemen: Was kennzeichnet ein gefährliches Werkzeug? Wann geht eine Willenserklärung zu? Oder was meint das Verwaltungsrecht, wenn es von öffentlicher Ordnung spricht? Das waren nicht die Fragen, für die ich mich in Jura eingeschrieben hatte. Und so habe ich dann irgendwann begonnen, Seminare an der philosophischen Fakultät zu besuchen und bin da hängen geblieben. Auch wenn ich dafür die ein oder andere Jura-Vorlesung verpasst habe, habe ich das eigentlich nie bereut. Denn was Philosophinnen und Philosophen wirklich gut können, ist Texte sorgfältig zu lesen und sich kritisch mit Argumenten auseinanderzusetzen. Davon profitiere ich heute immer noch.
In ihrer Forschung beschäftigen Sie sich vor allem mit dem öffentlichen Recht, auch und gerade in seiner internationalen Dimension, sowie seinen philosophischen, sozial- und verhaltenswissenschaftlichen Grundlagenbezügen. Was heißt das konkret und was fasziniert Sie an diesem Themenbereich?
Es ist im Grunde gar nicht so kompliziert wie es klingt: Die Themen, die mich interessieren stammen aus dem Verfassungs- und Völkerrecht und haben oft gemein, dass sie Fragen aufwerfen, die sich mit juristischen Methoden allein nicht beantworten lassen. Eines meiner letzten Projekte betraf etwa das Thema der Rechtsbefolgung. Wir Juristen können nun natürlich etwas dazu sagen, wie das Recht selbst mit Rechtsverletzungen umgeht, wie es sie sanktioniert und wie es selbst auf Rechtsverstöße reagiert, ob es in Extremfällen systematischer Verletzungen vielleicht sogar seine Geltung einbüßt, oder ob wir die Nichtbefolgung von Recht technisch unmöglich machen dürfen. Doch darin erschöpft sich das Thema nicht. Philosophinnen würden etwa fragen, ob es überhaupt eine moralische Pflicht gibt, das Recht zu befolgen, Soziologinnen können erklären, welche gesellschaftliche Funktionen Regelverstöße haben können und Psychologen wissen, welche Faktoren im Einzelfall dazu beitragen, ob man an der roten Ampel stehen bleibt oder in seiner Steuererklärung nur richtige Angaben macht. Diese Perspektiven auch für die rechtswissenschaftliche Arbeit sichtbar zu machen, scheint mir in vielen Fällen schon deshalb wichtig, weil rechtliche Argumente zum Teil auf Vorannahmen beruhen, die bei genauerem Blick oft gar nicht so selbstverständlich sind. Und genau das ist ein Aspekt, der mich an den Themen reizt, die mich umtreiben.
Sie haben ein Auslandsstudium am Trinity College in Dublin, Irland absolviert. Wie kam es zur Auswahl dieser Universität und würden Sie einen Auslandsaufenthalt rückblickend weiterempfehlen?
Für Dublin und das Trinity College habe ich mich aus recht profanen Gründen entschieden: Ich wollte mein Englisch aufbessern und Dublin schien mir auf der damaligen Auswahlliste der Tübinger ERASMUS-Kontakte hierfür die attraktivste Stadt zu sein (die Wohnungspreise hatte ich mir zum Zeitpunkt der Entscheidung allerdings noch nicht angesehen…). Zudem wirkte der Campus des Trinity College ein wenig so, wie ich mir eine englische Eliteuniversität vorgestellt hatte. Was ich vor Ort dann aber vor allem genossen habe, war die große Freiheit bei der Kurswahl. Für mich war das Auslandsjahr die willkommene Gelegenheit, die drohende Examensvorbereitung noch ein Jahr hinauszuzögern und noch einmal nur das zu studieren, was mich interessiert hat. Dass ich dabei keinen einzigen Kurs zum irischen Recht belegt habe, ist mir heute fast ein bisschen peinlich. Abgesehen davon aber, kann ich das nur empfehlen!
Seit 2023 sind Sie Prüfer in der Staatsprüfung der Ersten Juristischen Prüfung in Baden-Württemberg. Haben Sie als Prüfer noch einen Ratschlag, den Sie unseren Studierenden mit auf den Weg geben möchten?
Ich weiß nicht, ob das als Ratschlag durchgeht, aber was ich den Studierenden immer mitzugeben versuche, ist dass es auch für Juristinnen und Juristen ohne vollbefriedigendes Examen wirklich tolle Jobs gibt. Ich erzähle dann immer von einem meiner besten Studienfreunde, dessen Examensergebnisse nicht annähernd das widerspiegeln, was er kann. Heute arbeitet er als parlamentarischer Berater einer Landtagsfraktion – ein Job, den ich sofort auch machen würde. Wenn man sich so etwas vor Augen führt, hilft das vielleicht ein wenig dabei, den psychischen Druck, den das Examen für fast alle bedeutet, etwas zu nehmen. Denn Ziel muss ja schließlich eine Prüfung sein, in der jede und jeder sein juristisches Können möglichst ungetrübt zeigen kann. Und wenn wir den Mythos loswürden, dass nur ein „VB“ im Examen glücklich macht, wäre dazu schon viel gewonnen.
Kurz gefragt, kurz geantwortet:
Auto, Fahrrad oder Öffis?
Fahrrad, wo immer es geht. Und für längere Strecken gern die Bahn.
Roman oder Netflix-Serie?
Ich will sagen Roman, aber die Wahrheit ist: Meistens ist es doch die Serie.
Kochen oder kochen lassen?
Das Einzige, was ich meistens lieber selbst koche, ist Kaffee. Ansonsten habe ich nichts dagegen, wenn jemand anders das Kochen übernimmt. Aber meinen anderen Familienmitgliedern geht das leider oft auch so...
Bier oder Wein?
Je nach Anlass beides gerne, aber wenn ich auf eines verzichten müsste, würde ich vermutlich den Wein behalten.
Habersack oder Beck-Ausgaben?
Für Gesetze war mein Ansatz immer: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Daher lieber die kleinen Sammlungen.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Herrn Rauber für das Interview!