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European Law Moot Court 2024: Rückblick auf die Teilnahme des Team Hannover am Regional Final in Turin

European Law Moot Court 2024: Rückblick auf die Teilnahme des Team Hannover am Regional Final in Turin

© David B. Erhardt | Juristische Fakultät Hannover

Vom 8. bis 11. Februar 2024 fand in Turin das erste von vier Regional Finals des European Law Moot Court (ELMC) 2023/24 statt. Mit dabei: das ELMC-Team unserer Fakultät. Im Folgenden berichten zwei der Teammitglieder über ihre Erfahrungen.

Dass wir überhaupt in Turin antreten konnten, war in mehrfacher Hinsicht unerwartet. Dies lag zum einen an der herausfordernden Aufgabenstellung und zum anderen an unserer Airline.

Die Vorbereitung

Nachdem der Fall veröffentlicht worden war, hatten wir uns mehrmals zu Diskussionen in der Gruppe getroffen, gemeinsam recherchiert und den Fall besprochen. Anschließend legten wir anhand der Fallfragen eine ungefähre Aufgabenverteilung fest und recherchierten weiter zu unseren jeweiligen Themen. Dabei sollte jede Person ihre Fallfrage einerseits aus Sicht des Klägers (applicant) und andererseits aus Sicht des Beklagten (defendant) beantworten. Bevor wir die Texte verfassten, gingen wir die jeweiligen Gliederungsentwürfe wieder in der Gruppe durch und versuchten, uns gegenseitig Feedback zu geben.

Den Fall kurz zusammenzufassen, scheint uns an dieser Stelle nahezu unmöglich. Stattdessen möchten wir nur die großen Themenbereiche ansprechen. Übergeordnet spielten Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit für Schadensersatzklagen eine Rolle (EuGH oder nationale Gerichte). Inhaltlich ging es um die Lieferung von Kriegsausrüstung durch die Europäische Union bzw. ihre Mitgliedstaaten an einen Drittstaat, was den unionsrechtlichen Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (kurz: GASP) eröffnete. Zudem sollten Beihilfen in einem öffentlichen Vergabeverfahren auf ihre Rechtmäßigkeit gemäß einer EU-Verordnung überprüft werden. Sämtliche Fallfragen spielten derweil im Kontext eines fiktionalisierten, aber dennoch deutlich erkennbaren Krieges Russlands („Mordor“) gegen die Ukraine („Utopia“). Die Namen der Kläger, Yuriy und Oksana Baggins, sorgten in dieser Hinsicht für noch mehr Herr der Ringe-feeling in der (fiktiven) europäischen Außenpolitik.

Selbstverständlich waren uns Themen der GASP im bisherigen Studium noch nicht begegnet. Ebenfalls neu war, jedenfalls in der eigenen Anwendung, der starke Fokus auf Präzedenzrecht (case law), welches die EU-Rechtsprechung prägt. Mit case law argumentieren zu wollen, erfordert ein gewisses Lesepensum. Die beiden Finalteams in Turin erschienen z.B. mit riesigen Aktenordnern voller EuGH-Entscheidungen, um sich dann Namen und Fakten aus teils obskuren Urteilen an den Kopf zu werfen. Wir meinen: ganz so intensiv muss man das Fallstudium nicht betreiben, um vernünftige Schriftsätze zu produzieren.

Nachdem wir unsere Ausarbeitungen auf Englisch und Französisch (Französischkenntnisse sind nicht zwingend notwendig) als fertiges Dokument eingereicht hatten, erhielten wir lange Zeit keine Rückmeldung. Einige Monate später konnte unser Teamcoach uns dann die erfreuliche Nachricht überbringen: Infolge der positiven Bewertung unserer Schriftsätze durften wir an einem der Regional Finals teilnehmen und gegen Teams aus aller Welt antreten! Dies war für uns schon der erste Erfolg, denn von den über 100 Bewerber*innen wurden nur 48 Teams zu den mündlichen Verhandlungen zugelassen.

Ende Januar begannen wir also, uns auf die bevorstehende mündliche Phase des Wettkampfes vorzubereiten. Zunächst mussten wir unsere Plädoyers ausarbeiten. Für den Inhalt hatten wir bereits grobe Vorstellungen, da wir uns an unseren zuvor eingereichten Texten orientieren konnten. Diese mussten wir so aufbereiten, dass sie argumentativ fundiert blieben und dennoch das vorgegebene Zeitlimit von 15 Minuten nicht überschritten. Beim Verfassen der Plädoyers kam es also auf eine prägnante Wortwahl, eine logische Argumentation sowie ein präzises Zeitgefühl an. Rückblickend hätten wir uns gerne mehr Zeit genommen, um die Plädoyers gemeinsam zu proben und uns gegenseitig Tipps für die Präsentation zu geben.

Die Anreise

Die Reise nach Turin verlief für uns alles andere als reibungslos. Nur zwei Tage vor unserem geplanten Abreisedatum kündigte unsere Fluggesellschaft umfangreiche Streiks an, von denen auch wir betroffen waren. Eigentlich hätten wir über München nach Turin fliegen sollen, jedoch wurde unser Inlandsflug gestrichen und wir hatten scheinbar keine Möglichkeit, rechtzeitig in Turin anzukommen. Nachdem wir verzweifelt versucht hatten, eine andere Lösung mit der Fluggesellschaft zu finden, kümmerte sich letztlich das vom Dekanat beauftragte Reisebüro um einen alternativen Flug. So erreichten wir, wenn auch einen Tag später als geplant, den Flughafen in Mailand. Den Transport von Mailand nach Turin mussten wir aufgrund der Unregelmäßigkeiten unserer Reise selbst organisieren. Glücklicherweise wurden uns die Kosten hierfür von unserer Universität erstattet.

In Turin angekommen, konnten wir unser Gepäck in unserem Hotel abstellen. Kurz darauf mussten wir uns jedoch schon auf die Begrüßungsveranstaltung des Moot Courts vorbereiten. Nach der Abholung vom Hotel und einem kurzen Spaziergang durch die Straßen Turins erreichten wir die Universität, wo nach einer Vorstellung der Organisator*innen Snacks und Getränke bereitgestellt wurden. Dieses erste Treffen diente gezielt dem Networking unter den Teilnehmenden und den Coaches. Wir nutzten die Gelegenheit, um erste Kontakte zu knüpfen und die anderen Teams kennenzulernen. Besonders gut verstanden wir uns mit unseren französischen und rumänischen Konkurrent*innen. Hier erfuhren wir auch, dass es wohl eine Fortsetzung des Sachverhalts gegeben hatte, die vielen Teilnehmenden und auch uns leider nicht zugestellt wurde.

Zurück im Hotel, am späten Abend, gingen wir gemeinsam unsere Plädoyers durch und verbesserten noch einige Details.

Die Verhandlungen

Am Tag der Verhandlungen probten wir noch einige Male intensiv unsere Plädoyers und feilten besonders an unserer Rhetorik und unserem Auftreten. An diesem Tag erlebten wir eine wahre Achterbahn der Gefühle, die vor allem aus Mut, Neugier und Nervosität bestand. Einige von uns waren bereits am frühen Morgen mit ihren Plädoyers fertig und verspürten schon ein Gefühl der Erleichterung, während andere erst gegen 17:00 Uhr an der Reihe waren und auf diese Erleichterung länger warten mussten.

Während der Plädoyers der anderen Teams war es interessant zu vergleichen, wie das Unionsrecht in anderen Ländern ausgelegt und welches Rechtsverständnis an den verschiedenen Universitäten gelehrt wird. Uns ist besonders aufgefallen, dass Universitäten mit einem europarechtlichen Schwerpunkt viel selbstverständlicher mit case law arbeiten, während man sich in Deutschland eher auf die Gesetzestexte stützt.

Am Ende der ersten Runde wurden die Finalist*innen bekanntgegeben, die am nächsten Tag erneut verhandeln sollten. Wir konnten uns leider nicht für die nächste Runde qualifizieren. Einerseits waren wir natürlich enttäuscht, aber andererseits hatten wir schon viele wertvolle Erfahrungen gesammelt und verspürten auch Erleichterung, dass uns am nächsten Tag keine weiteren Plädoyers bevorstanden.

Nach den Verhandlungen

Bevor überhaupt das Siegerteam des Regional Finals bekanntgegeben wurde, überraschten uns die ehrenamtlichen ELMC-Richter*innen noch mit einer ganz besonderen Performance. In einer äußerst treffsicheren Parodie spielten sie einige Highlights der vorangegangenen Verhandlungen nach. Dabei fokussierten sie sich sowohl auf sprachliche Eigenarten, Mimik und Gestik der Finalist*innen wie auch typische Pannen einer Moot-Court-Verhandlung und zeigten damit ihren Sinn für Humor.

Am Abend nach dem Finale trafen sich alle Teilnehmenden zum gemeinsamen Essen in den Räumen der Fondazione dell'Avvocatura. Hier boten sich weitere Gelegenheiten, mit anderen Studierenden, Coaches sowie den Richter*innen in Kontakt zu treten und uns über unsere beim Moot Court gesammelten Erfahrungen auszutauschen. Es gab Pizza, Fingerfood und kostenlose Getränke; untermalt wurde das Event durch House-Musik von einem DJ. Gut gesättigt ging es dann weiter in eine von den Organisator*innen angemietete Bar, wo gemeinsam gefeiert wurde. Im Rahmen dessen wurde auch Karaoke gesungen – jede vertretene Nationalität durfte einen Song aus ihrem Heimatland auswählen und diesen performen (wir wählten „99 Luftballons“). Einige von uns ließen den Abend noch in einem der zahlreichen Nachtclubs Turins ausklingen.

Fazit

Abschließend können wir festhalten, dass der ELMC uns viel Spaß bereitet hat. Es gab anstrengende Phasen, aber der Aufwand hat sich definitiv gelohnt. Die detaillierte Beschäftigung mit dem Unionsrecht stellt eine enorme Bereicherung für unser Studium und unser allgemeines Rechtsverständnis dar. Die Erfahrungen in Turin konnten unsere sozialen und interkulturellen Kompetenzen stärken. Der Wettbewerb als Ganzes trainierte uns im selbständigen akademischen Arbeiten und förderte in dieser Hinsicht auch unser Selbstbewusstsein. Dass wir eine realistische Simulation eines Gerichtsprozesses am EuGH als rechtliche Vertretung der Kläger- und Beklagtenseite mitgestalten durften, konnte zudem unsere juristische Expertise ausweiten.

Natürlich ziert eine Teilnahme an einem internationalen Moot Court auch jeden Lebenslauf. In unserem Jurastudium wird aufgrund dessen außerdem ein Freisemester gewährt. Zudem erhielten wir wahlweise den Fremdsprachen- oder Schlüsselqualifikationsschein und konnten mit dem Modul 3 (Praxissimulation) einen weiteren Punkt auf unserer ADVO-Z-Bucketlist abhaken.

Insgesamt können wir eine Teilnahme am ELMC wärmstens empfehlen. Neben den juristisch-akademischen Vorteilen lernt ihr im besten Fall auch noch neue Freund*innen kennen und dürft eine (von der Uni finanzierte) Reise in eine europäische Universitätsstadt unternehmen.

Großer Dank gilt an dieser Stelle dem Team des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Europarecht (Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann, LL.M.) allen voran David Zaprosyan für die Betreuung und Übernahme aller organisatorischer Angelegenheiten.

Verfasst von Elias El Bekkouri und Lea Maringer.

Was ist ein Moot Court?

Moot Courts sind simulierte Gerichtsverhandlungen, bei den Studierende die rechtliche Vertretung der Prozessparteien darstellen. Die Simulation beinhaltet die Vorbereitung und Durchführung eines Prozesses in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht. 

Der Juristische Fakultät Hannover ist auch bei zahlreichen anderen Moot Courts vertreten. Mehr dazu erfahren Sie hier.

Verfasst von LT