Das humanitäre Völkerrecht steht heute vor vielfältigen Herausforderungen. Der Krieg in der Ukraine hat einmal mehr die Fragilität der internationalen Rechtsordnung gezeigt und stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Menschenrechte dar. Er ist ein weiterer wichtiger Test für die Durchsetzungsfähigkeit von Rechtsnormen in Zeiten eines internationalen Konflikts.
Im Rahmen einer völkerrechtlichen Summer School des Deutschen Roten Kreuzes-Region Hannover e. V. und des Instituts für Internationales Recht der Juristischen Fakultät Hannover wurde, unter der wissenschaftlichen Leitung des Präsidenten der Leibniz Universität Hannover Prof. Dr. Volker Epping, Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann und, als Bindeglied, dem Mitglied des Präsidiums des Deutschen Roten Kreuzes-Region Hannover e.V. sowie Lehrbeauftragten an der LUH Dr. Stefan Birkner, in der Woche vom 5. bis zum 9. September 2022 eine tägliche Veranstaltung zum Völkerrecht an der Juristischen Fakultät der LUH durchgeführt. Hochkarätige Referenten aus dem In- und Ausland, insbes. Prof. em. Dr. Patrick R. Hugg (Loyola University College of Law New Orleans) und Prof. Dr. Manuel Brunner (Polizeiakademie Niedersachsen), haben in diesem Kontext gelehrt.
Zum Auftakt fand am 3. September 2022 ein "Kick-Off-Meeting" im Königlichen Pferdestall der LUH statt, wobei von Seiten des Präsidiums des Deutschen Roten Kreuzes-Region Hannover e. V. auch die Präsidentin, Frau Martina Rust, sowie von Seiten des einschlägigen Vorstands der Vorstandsvorsitzende, Herr Anton Verschaeren, anwesend waren; interessierte Studierende konnten am "Kick-Off-Meeting" per Videokonferenz teilnehmen, und von dieser Möglichkeit wurde reger Gebrauch gemacht.
Nach eröffnenden Worten von Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann und Dr. Stefan Birkner, wobei nicht nur die Summer School als solche, sondern auch die vielschichtigen Tätigkeiten des Deutschen Roten Kreuzes-Region Hannover e.V. näher präsentiert wurden, begann die Reihe der Vorträge mit Frau PD Dr. Ines Gillich, LL.M. (UCLA), Universität zu Köln. In "The War in Ukraine and International Humanitarian Law" zeigte die Referentin die historische und quellentechnische Entwicklungslinie des Humanitären Völkerrechts auf und zeichnete dessen Bedeutsamkeit und Probleme auch im Hinblick auf die aktuellen Kampfhandlungen in der Ukraine nach.
Daran schloss sich "New Age Transparency and A Special Hybrid Court for War Crimes in Ukraine: A New Model for War Crimes Prosecutions in Ukraine" von Prof. em. Dr. Patrick R. Hugg (Loyola University College of Law, New Orleans) an. In seinem überaus anschaulichen Beitrag unterstrich er - in Ermangelung anderer Lösungen - die Notwendigkeit einer ad hoc-Gerichtsbarkeit zwecks Sanktionierung von Verstößen gegen das Humanitäre Völkerrecht auf - gerade im Hinblick auf die Ukraine.
Seinerseits beleuchtete Prof. Dr. Gerhard Fiolka (Université de Fribourg) im überaus pointierten Vortrag "«Inter Arma …»? – The Role of Criminal Law in Armed Conflict" kritisch den status quo des Völkerstrafrechts, dem er nahezu praktische Bedeutungslosigkeit, zumindest jedoch Ineffizienz hinsichtlich des Schutzes von Rechtsgütern, vorwarf.
"The EConvHR and the ECrtHR's Jurisprudence on Conflict Situations: The Concept of Jurisdiction and International Humanitarian Law" von Prof. Dr. Rui Guerra da Fonseca (Universität Lissabon) schlug sodann eine Brücke zwischen Menschenrechten und Humanitärem Völkerrecht und emphatisierte die Gefahr, welche aus der Vermischung beider Rechtsgebiete im Rahmen der EGMR-Rechtsprechung für diesen Gerichtshof und sein Standing hervorgehe.
In seinem Beitrag "Jurisdictional Immunity of a State: as Seen from Ukraine Amid the War" behandelte der (aus gegebenem Anlass leider nur online zugeschaltete) Prof. Dr. Bohdan Karnaukh (Yaroslav Mudryi National Law Universität Kharkiv) in kritischer Form aktuelle ukrainische Judikatur, welche sich mit Schadenersatzfragen aufgrund von Kriegshandlungen in der Ukraine auseinandersetzte.
Der Reigen der Referenten wurde mit "Law of Neutrality and Weapon Shipments to Ukraine" von Prof. Dr. Manuel Brunner (Polizeiakademie Niedersachsen) abgeschlossen, welcher einen wichtigen Teil des völkergewohnheitsrechtlichen Kriegsrechts, nämlich das Neutralitätsrecht, kritisch am Maßstab von Waffenlieferungen an die Ukraine maß.
Die Teilnehmer konnten zwischen den Vorträgen die Möglichkeit sachintensiver Diskussionen mit den Referenten wahrnehmen, und im Ergebnis kann man diesen regen Austausch als überaus fruchtbar erachten - die Summer School zum Humanitären Völkerrecht an der LUH, die zum ersten Mal in der laufenden Woche stattfindet, wird gewiss auch in den folgenden Jahren einen wichtigen Fixpunkt im Sommersemesterplan der Juristischen Fakultät bilden.